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Gericht empfiehlt Vergleich: Haftung eines Arbeitnehmers für Diebstahl

Montag, 21.10.2019

Der Arbeitnehmer verursacht bei seiner Arbeit mitunter Schäden beim Arbeitgeber. Er haftet dafür allerdings nur eingeschränkt. Ob und in welcher Höhe er zahlen muss, hängt davon ab, wie sehr der Schaden ihm vorzuwerfen ist.

Diese Rechtsprechung kam einem Arbeitnehmer in einem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf zugute. Die Arbeitgeberin verlangte vom Arbeitnehmer Schadenersatz für einen gestohlenen LKW-Anhänger. Die Parteien einigten sich auf Empfehlung des Gerichts darauf, dass der Arbeitnehmer nur 2.000€ statt ca. 14.000€ zahlen sollte.

Wie haften Arbeitnehmer für Schäden?

Bei vielen Jobs erledigt der Arbeitnehmer gefahrträchtige Arbeit. Die Arbeit mit schweren Maschinen, Fahrzeugen und wertvollen Waren kann im Unglücksfall zu hohen Schäden auf der Seite des Arbeitgebers führen. Hat der Arbeitnehmer den Unfall verschuldet, muss er unter Umständen für diese Schäden einstehen.

Bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten ist die Haftung je nach Verschulden des Arbeitnehmers in folgende Kategorien eingeteilt:

  • Leichteste Fahrlässigkeit: Der Arbeitnehmer haftet gar nicht für den Schaden. Leichteste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine Sorgfaltspflichten nur im geringen Maße verletzt. Das ist bei typischen Alltagsversehen der Fall. Auch ein sonst sorgfältiger Arbeitnehmer kann bei „menschlichem Augenblicksversagen“ einen Schaden verursachen.
  • Mittlere Fahrlässigkeit: Hier haftet der Arbeitnehmer anteilig. Es wird im Einzelfall abgewogen, welche Quote zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gebildet werden muss. Dabei wird unter anderem berücksichtigt, wie gefahrträchtig die Arbeit ist, wie viel der Arbeitnehmer verdient und wie hoch der Schaden ist. Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn für den sorgfältigen Arbeitnehmer erkennbar war, dass sein Handeln zu einem Schaden führen könnte.
  • Grobe Fahrlässigkeit: Der Arbeitnehmer muss in der Regel den ganzen Schaden bezahlen. Ausnahmen werden von den Gerichten nur gemacht, wenn durch einen sehr hohen Schaden dem Arbeitnehmer der wirtschaftliche Ruin droht. Grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass der Arbeitnehmer äußerst wichtige Regeln verletzt hat, deren Einhaltung für jeden offensichtlich notwendig ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Arbeitnehmer Geld des Arbeitgebers offen herumliegen lässt.
  • Vorsatz: Auch bei Vorsatz haftet der Arbeitnehmer vollständig. Hiervon werden keine Ausnahmen gemacht. Zu beachten ist allerdings, dass der Vorsatz sich auch auf den Schaden selbst beziehen muss und nicht nur auf die Pflichtverletzung. Dem Arbeitnehmer muss also bewusst sein, dass sein vorsätzlich regelwidriges Verhalten auch höchstwahrscheinlich zu einem Schaden führen wird. Klassischer Fall ist der Diebstahl oder die Unterschlagung am Arbeitsplatz.

Auch bei der Beweislast helfen die Gerichte den Arbeitnehmern. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass der Arbeitnehmer schuldhaft gehandelt hat, wenn er von ihm einen Schaden ersetzt haben möchte.

LKW-Auflieger mit Ware gestohlen

VergleichIm o.g. Fall stritten sich ein LKW-Fahrer und seine Arbeitgeberin, ein Logistikunternehmen, um Schadenersatz für einen gestohlenen LKW-Anhänger. Der Arbeitnehmer hatte nach einer betrieblichen Fahrt den vollgeladenen LKW-Auflieger mit Waren im Wert von knapp 100.000 € an einer Straße abgestellt. Von dieser Stelle wurde der Anhänger samt Inhalt gestohlen. Die Arbeitgeberin verlangt einen Restbetrag von ca. 15.000 €, welcher von der Versicherung nicht übernommen wurde.

Die Straße, in der der Anhänger gestohlen wurde, liegt in der Nähe des Betriebsgeländes der Arbeitgeberin. Auf diesem Gelände gibt es mehrere Parkplätze, manche auf dem Hof selbst, welcher durch eine Einfriedung und durch ein Tor gesichert ist. Andere Parkplätze befinden sich auf dem Gelände direkt vor dem Betriebshof, aber außerhalb der Einfriedung.

Im Übrigen gehen die Schilderungen der Parteien auseinander: Der Arbeitnehmer meint, es sei auf dem Gelände der Arbeitgeberin kein Parkplatz frei gewesen. Weder auf dem Hof selbst, noch auf dem Vorhof. Außerdem sei es in solchen Fällen im Betrieb üblich gewesen, Fahrzeug und Anhänger in die Seitenstraße zu stellen. Dementsprechend sei ein Fach für Fahrzeugunterlagen mit der Bezeichnung „Seitenstraße“ beschriftet gewesen.

Die Arbeitgeberin stellt die Situation anders dar: Zwar sei es im Jahr vor dem Vorfall üblich gewesen, LKW in der Seitenstraße abzustellen. Diese Praxis sei aber durch einen Aushang untersagt worden, nachdem mehrfach Bußgelder wegen Parkverstößen verhängt worden seien. Es sei unklar, ob diese Weisung an den Arbeitnehmer weitergeleitet wurde. Außerdem sei das Fach für die Fahrzeugunterlagen nicht mit „Seitenstraße“ beschriftet gewesen. Auf dem Gelände der Arbeitgeberin seien zur Zeit der Ankunft des Arbeitnehmers zwei Parkplätze frei gewesen, was ein anderer Mitarbeiter bezeugen könne. Ob daneben noch andere Parkplätze frei gewesen seien, wisse dieser Mitarbeiter jedoch nicht.

Gericht empfiehlt Vergleich wegen Beweislage

Das Gericht erklärte den Parteien, dass es ohne weitere Beweisaufnahme kein Urteil fällen könne. Wenn die Schilderung der Arbeitgeberin wahr sei, komme zwar eine Haftung des Arbeitnehmers wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung in Betracht. Die vorgebrachten Umstände müsse die Arbeitgeberin aber auch beweisen. Nach der Version des Arbeitnehmers scheide hingegen eine Haftung aus, da bei dieser Sachlage auch ein unterer Grad der Fahrlässigkeit in Betracht komme.

Deshalb empfahl das Gericht den Parteien einen Vergleich, wonach der Arbeitnehmer 2.000 € zu zahlen hat. Die Parteien stimmten dem Vergleich zu. Damit wurde der Prozess beendet.

Fazit

Dieser Fall zeigt, welchen besonderen Schutz die Rechtsprechung Arbeitnehmern bei Schadensersatzforderungen des Arbeitgebers zugesteht. Außerdem wird deutlich, dass es insbesondere aufgrund der Beweislastumkehr dem Arbeitgeber oft nicht leicht ist, alle relevanten Tatsachen zu beweisen.

Der Vergleich wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem LAG Düsseldorf am 10.10.2019 geschlossen. Das Aktenzeichen des Verfahrens ist 13 Sa 1171/18.