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Verdachtskündigung wegen Unterschlagung wirksam

Montag, 15.07.2019

Verdachtskündigung wegen UnterschlagungWird ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber verdächtigt, einen Diebstahl oder eine Unterschlagung begangen zu haben, kann hierdurch Vertrauen massiv beschädigt werden. Oftmals ist es jedoch schwierig, eine Tat nachzuweisen. Im Strafverfahren gilt solange die Unschuldsvermutung, bis eine Tat dem Täter zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

Im Arbeitsrecht aber gilt: unter bestimmten Voraussetzungen kann schon der Verdacht einer Straftat für eine fristlose Kündigung ausreichen. So geschah es einem Arbeitnehmer, der gegen eine Verdachtskündigung wegen Unterschlagung klagte. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschied kürzlich seinen Fall.

Wann ist eine Verdachtskündigung zulässig?

Führt erhebliches Fehlverhalten am Arbeitsplatz dazu, dass das Vertrauen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber schwer beschädigt wurde und eine Weiterbeschäftigung nicht zumutbar ist, kann eine fristlose oder fristgerechte Verdachtskündigung in Betracht kommen. Hierfür müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt werden:

  • Zunächst muss der dringende Verdacht einer ganz erheblichen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten bestehen. Wäre der Verdacht beweisbar, müsste er eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Es kommen also insbesondere Straftaten in Betracht. Fristlose Kündigungen wurden allerdings auch in den folgenden Fällen schon für wirksam erachtet:
  • Es müssen Tatsachen tatsächlich vorliegen, die den dringenden Verdacht rechtfertigen. Bloße Vermutungen oder ähnliches reichen nicht aus.
  • Der Arbeitgeber muss so viel wie ihm möglich ist über den Verdacht ermitteln. Eine Anhörung des Arbeitnehmers zu den im Raum stehenden Vorwürfen ist in jedem Fall erforderlich. Wegen dieses Punktes scheitern viele Verdachtskündigungen vor Gericht.
  • Eine fristlose Verdachtskündigung ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme des Verdachts möglich.

Natürlich sind im Übrigen die weiteren Voraussetzungen jeder Kündigung zu beachten (Schriftform, Anhörung des Betriebsrats, sofern vorhanden,…)

Verdacht: 100 €-Schein unterschlagen

In dem Fall, den kürzlich das LAG Düsseldorf entschied, arbeitete der Kläger seit 1987 bei dem Land NRW. Zuletzt war er dort als Pförtner einer Polizeidienststelle beschäftigt. Im Dezember des vergangenen Jahres kam eine Frau zu dem Pförtner und gab bei ihm einen gefundenen 100 €-Schein ab. Mit einer E-Mail vom selben Tag an die Polizei berichtete die Frau davon. Die Frau schrieb auch, dass der Pförtner sie nicht nach dem Fundort des Scheins oder nach ihrem Namen gefragt habe und dass ihr dies ungewöhnlich vorkam. Im Nachgang wurde festgestellt, dass der abgegebene Schein weder in der Asservatenkammer der Polizeidienststelle hinterlegt wurde, noch im PC-System erfasst worden war.

Wegen des Verdachts der Unterschlagung wurde sodann gegen den Pförtner ein Strafverfahren eingeleitet. Auch nach Anhörung durch seine Arbeitgeberin bestritt der Pförtner die gegen ihn gerichteten Vorwürfe. Er behauptete, dass er die Frau mit dem Schein zur zuständigen Stelle geschickt habe. Nach der Anhörung kündigte das Land NRW dem Pförtner fristlos wegen des dringenden Verdachts einer Unterschlagung.

Hiergegen richtete sich die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers, die weder in der ersten, noch in der zweiten Instanz Erfolg hatte.

LAG Düsseldorf: Verdachtskündigung wegen Unterschlagung rechtmäßig

Das Landesarbeitsgericht erachtete die Verdachtskündigung als wirksam. Es bestehe der dringende Tatverdacht der Unterschlagung des Geldscheins. Die Ausführungen der Finderin seien plausibel. Es sei kein Grund erkennbar, weshalb sich die Finderin per E-Mail an die Polizei gewandt habe, wenn ihre Erzählungen nicht der Realität entsprochen hätten. Trotz der 30-jährigen Beschäftigung des Pförtners genüge der Sachverhalt einer Verdachtskündigung.

Fazit

Straftaten wie die Unterschlagung sind (auch) am Arbeitsplatz kein Kavaliersdelikt, wie der vorliegende Fall zeigt. Wegen eines dringenden Tatverdachts kann einem Arbeitnehmer bei Einhaltung aller oben genannten Voraussetzungen ohne Nachweis einer bestimmten Tat fristlos gekündigt werden. Dies gilt auch nach einer jahrzentelang beanstandungsfreien Beschäftigung des Arbeitnehmers.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.06.2019, Az. 6 Sa 994/18