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Weiterbeschäftigung nach Fehlverhalten: Fristlose Kündigung ausgeschlossen

Donnerstag, 13.09.2018

Einem Arbeitnehmer kann außerordentlich gekündigt werden, wenn er das Vertrauen des Arbeitgebers besonders missbraucht, z.B. diesen bestiehlt. Es ist dem Arbeitgeber dann nicht zuzumuten, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Der Arbeitgeber kann sein Recht auf fristlose Kündigung aber verlieren, wenn er den Arbeitnehmer nach dem Fehlverhalten noch über geraume Zeit weiterbeschäftigt (Weiterbeschäftigung nach Fehlverhalten). Dieses Verhalten zeigt nämlich deutlich, dass dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung nicht unzumutbar ist.

So hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg am 14.06.2018 entschieden.

Zum Hintergrund: Die außerordentliche Kündigung

Eine außerordentliche Kündigung ist eine Kündigung, durch die das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist beendet wird. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist.

Eine außerordentliche Kündigung ist zum Beispiel häufig gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bestiehlt oder ausspioniert. In diesen Fällen ist das Vertrauensverhältnis so stark beeinträchtigt, dass eine weitere Beschäftigung – auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist – unzumutbar erscheint.

Einen Überblick über weitere Sachverhalte, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen, finden Sie auf unserem Blog.

Zum Sachverhalt: Arbeitnehmerin gibt falsche Arbeitszeiten an

Weiterbeschäftigung nach FehlverhaltenIm konkreten Sachverhalt wurde die Arbeitszeit der Mitarbeiter von diesen selbst in einer Excel-Tabelle festgehalten. Die in Rede stehende Arbeitnehmerin hatte an insgesamt 4 Tagen den Arbeitsbeginn zu früh eingetragen. Somit kam sie eher auf ihre Wochenarbeitszeit und schwänzte insgesamt rund 2,5 Wochenarbeitsstunden.

Als dies der Arbeitgeberin auffiel, wurde der Arbeitnehmerin erklärt, dass ein solches Verhalten eine außerordentliche Kündigung rechtfertige. Nichtsdestotrotz erklärte sich die Arbeitgeberin bereit, das Arbeitsverhältnis erst Ende des Jahres zu kündigen. Bis dahin sollte die Arbeitnehmerin noch Gelegenheit bekommen, sich einen neuen Job zu suchen.

Die Arbeitnehmerin war mit dieser Lösung nicht zufrieden. Sie habe nicht vorsätzlich gehandelt und nur vergessen, die Arbeitszeiten korrekt einzutragen. Sie stünde unter hohem Stress. Aus diesem Grund erhob sie Kündigungsschutzklage und Antrag auf Weiterbeschäftigung. Ihre Klage blieb zunächst erfolglos.

Zur Entscheidung: Weiterbeschäftigung nach Fehlverhalten widerspricht Kündigungsabsicht

Das LAG stellte sich nun aber auf die Seite der Arbeitnehmerin. Die Richter waren der Ansicht, dass die außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt sei.

Zunächst betonte auch das Gericht, dass die Arbeitnehmerin vorsätzlich gehandelt habe. Dafür spreche die Vielzahl der Fälle innerhalb eines kurzen Zeitraums. Zudem sei die Arbeitnehmerin an diesen Tagen ungewöhnlich spät erschienen. Ausgerechnet an diesen Tagen einen verfrühten Arbeitsbeginn versehentlich anzugeben, erscheine daher unwahrscheinlich. Aus diesem Grund komme grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

Trotzdem urteilten die Richter, dass gem. § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch das Verhalten der Arbeitgeberin zu bewerten sei. Diese habe der Arbeitnehmerin eben nicht sofort gekündigt, sondern sie noch bis Ende des Jahres arbeiten lassen. Da für eine außerordentliche Kündigung die Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber stets unzumutbar sein müsse, komme vorliegend eine außerordentliche Kündigung nicht in Betracht. Ein sog. wichtiger Grund liege nicht vor.

Weiterhin komme auch eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nicht in Betracht, da der Betriebsrat nur zu einer fristlosen Kündigung angehört worden sei.

Fazit

Möchte ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter fristlos kündigen, so muss er dies umgehend tun. Lässt er den in Rede stehenden Arbeitnehmer zunächst weiterarbeiten, so kann nicht mehr von einem sog. wichtigen Grund gesprochen werden. In diesem Fall zeigt der Arbeitgeber durch sein Verhalten, dass ihm eine Weiterbeschäftigung zumutbar ist.

Ein ähnlicher Fall ist ausdrücklich im Gesetz geregelt: Erfährt der Arbeitgeber von dem wichtigen Grund, der ihn zur fristlosen Kündigung berechtigt, hat er diese innerhalb von zwei Wochen auszusprechen (§ 626 Abs. 2 BGB).

LAG Berlin-Brandenburg, 14.06.2018, Az.: 15 Sa 214/18