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Unwirksamkeit der Verdachtskündigung bei nicht ausreichender Frist zur Stellungnahme

Donnerstag, 26.04.2018

Bei schwerwiegenden Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten (z.B. Straftaten bei der Arbeit zulasten des Arbeitgebers) ist es dem Arbeitgeber unter Umständen möglich, dem Arbeitnehmer außerordentlich zu kündigen. Oftmals problematisch ist dabei jedoch die Beweisbarkeit dieser Pflichtverletzungen vor Gericht. Falls dringender Tatverdacht besteht, aber die Beweise nicht für einen Gerichtsprozess ausreichen, kommt unter Umständen eine Verdachtskündigung in Betracht.

Die Voraussetzungen dafür sind:

  • ein erheblicher Verdacht aufgrund objektiver Umstände,
  • die Geeignetheit dieses Verdachts, das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zu erschüttern,
  • hinreichende Bemühungen des Arbeitgebers zur Aufklärung des Sachverhalts,
  • Verhältnismäßigkeit zwischen den Interessen der Parteien.

Zu den erforderlichen Bemühungen des Arbeitgebers gehört es auch, dem Arbeitnehmer bezüglich der Vorwürfe die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Für diese Stellungnahme muss dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist eingeräumt werden. Ist die gesetzte Frist zu kurz, ist eine anschließende Kündigung unwirksam.

So hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein am 21. März 2018 entschieden.

Verdachtskündigung nach ausgebliebener Rückgabe eines Firmenlaptops

Im vorliegenden Fall stritten sich Arbeitgeberin und Arbeitnehmer zum wiederholten Mal um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer war durch eine ebenfalls streitige Versetzung und Änderungskündigung in den Außendienst versetzt worden. Für diese Tätigkeit wurde ihm ein Laptop ausgehändigt. Nach der Versetzung war der Arbeitnehmer durchgehend erkrankt. Allerdings wurden über das Laptop größere Datenmengen heruntergeladen, woraufhin die Arbeitgeberin die Rückgabe des Geräts verlangte. Der Arbeitgeber sendete ein Laptop zurück, allerdings ein anderes als ursprünglich ausgehändigt. Unklar blieb, ob dies absichtlich oder aus Versehen geschah.

Die Arbeitgeberin verdächtigte den Arbeitnehmer, Straftaten zu ihrem Nachteil begangen zu haben und gab ihm in ihrem Schreiben vom 04.08.2016 (Donnerstag) Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 08.08.2016 (Montag) um 13:00 Uhr. Nach Verstreichen der Frist ohne Stellungnahme wurde das Arbeitsverhältnis außerordentlich durch die Arbeitgeberin gekündigt. Der Arbeitnehmer erhob erfolgreich Klage gegen diese Kündigung vor dem Landesarbeitsgericht.Verdachtskündigung

Zwei Arbeitstage keine ausreichende Frist

Das Gericht führte aus, eine Frist von nicht einmal zwei vollen Werktagen sei keineswegs ausreichend für die Stellungnahme des Arbeitnehmers gewesen. Dies folge zunächst aus der Tatsache, dass die Parteien sich zur Zeit des Zugangs in umfassenden vertraglichen und gerichtlichen Auseinandersetzungen befanden. Hierbei habe sich der Arbeitnehmer stets anwaltlich vertreten lassen. Außerdem sei das Anhörungsschreiben nicht dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers zugegangen. Der Arbeitgeberin sei weiterhin die Erkrankung des Arbeitnehmers bekannt gewesen, weshalb sie nicht von einer durchgehenden Anwesenheit am Wohnort habe ausgehen dürfen. Durch die unangemessen kurze Frist zur Stellungnahme sei die Kündigung der Arbeitgeberin rechtsunwirksam.

Fazit

Grundsätzlich kann einem Arbeitgeber schon bei erheblichem Verdacht einer schweren Pflichtverletzung außerordentlich gekündigt werden. Allerdings ist ihm davor die Gelegenheit zur Stellungnahme mit einer angemessenen Frist einzuräumen. Ansonsten ist die außerordentliche Verdachtskündigung rechtsunwirksam.

LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 31.03.2018, Az. 3 Sa 398/17