Teilzeit: Überstundenzuschlag doch erst ab Überschreitung der Vollzeitarbeitszeit?
Die korrekte Erfassung und Abgeltung von Überstunden ist oft ein Streitpunkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Viele Tarifverträge sehen für Überstunden eine höhere Vergütung durch Zuschläge vor. Schwierigkeiten bereitet schon länger die Frage, ab wann dieser Zuschlag für Teilzeitkräfte bezahlt werden muss.
In seinem Urteil vom 13. Juni 2019 entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg, dass Teilzeitkräfte einen Überstundenzuschlag erst ab Überschreitung der regelmäßigen Vollzeitarbeitszeit erhalten müssen. Damit entscheidet das Gericht entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts.
Die bisherige Rechtsprechung zu Überstundenzuschlägen für Teilzeitkräfte
Anfang diesen Jahres änderte das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Rechtsprechung zu Überstundenzuschlägen für Teilzeitkräfte. Vorher hatte es die Regelungen in Tarifverträgen so ausgelegt, dass Teilzeitkräfte erst einen Überstundezuschlag bekommen, wenn sie die Vollzeitarbeitszeit überschreiten.
Diesen Ansatz änderte das Gericht mit einem Urteil im Januar. Im damaligen Verfahren sprach das Gericht einer Teilzeitkraft schon ab der ersten Überstunde den tarifvertraglichen Zuschlag zu. Die Richter argumentierten, dass Teilzeitkräfte gegenüber Vollzeitkräften nicht benachteiligt werden dürften. Deshalb müsse auch eine Teilzeitkraft die tatsächliche Möglichkeit haben, bei Mehrarbeit einen Zuschlag zu erhalten und nicht nur den regulären Stundensatz.
Kein Überstundenzuschlag an Teilzeitkraft ausgezahlt
Im nun entschiedenen Fall ging es um eine Krankenschwester, die bei einem Krankenhaus als Teilzeitkraft angestellt war. Nach dem Arbeitsvertrag betrug die wöchentliche Arbeitszeit 24 Stunden. Zwischen den Parteien galten die Regeln des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes im Dienstleistungsbereich Krankenhaus (TVöD-K). Dieser Tarifvertrag gewährte in § 8 Abs. 1 einen Zuschlag für Überstunden.
Die Arbeitnehmerin wurde an mehreren Tagen zur Arbeit herangezogen, die im Dienstplan nicht vorgesehen waren. Dadurch wurde die vorgesehene Arbeitszeit von 24 Stunden pro Woche mehrfach überschritten. Allerdings ging die Arbeitszeit der Arbeitnehmerin nie über die regelmäßige Arbeitszeit der Vollzeitkräfte hinaus.
Für die geleisteten Überstunden bezahlte die Arbeitgeberin keinen Überstundenzuschlag. Die Arbeitnehmerin verlangt nun für insgesamt 103 Überstunden die Zahlung des tarifvertraglichen Zuschlags.
Vor dem Arbeitsgericht hatte die Arbeitnehmerin keinen Erfolg. Auch die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht scheiterte.
LAG Nürnberg: Überschreitung der Vollzeitarbeitszeit entscheidend
Das Gericht entschied, dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf die geforderten Zuschläge habe.
Ein Anspruch auf die höhere Vergütung entstehe auch für Teilzeitkräfte erst, wenn die reguläre Stundenzahl der Vollzeitkräfte überschritten werde. Dies folge aus der Auslegung der tarifvertraglichen Regelungen.
Zunächst sei zu beachten, dass der Tarifvertrag ausdrücklich einen Unterschied mache zwischen „Überstunden“ und „Mehrarbeit“. Nach dem TVöD-K gelte folgende Definition:
„Überstunden sind die auf Anordnung des Arbeitgebers geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten (…) festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden.“
Für die Arbeitsstunden von Teilzeitkräften, die über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, aber unter der Vollzeitarbeitszeit liegen, verwende der Tarifvertrag hingegen den Begriff „Mehrarbeit“. Daher sei auf die „Mehrarbeit“ nicht der Zuschlagsanspruch für „Überstunden“ anwendbar.
Außerdem sei der Zweck der Regelungen im TVöD-K zu beachten. Die Überstundezuschläge verfolgen den Zweck, besondere Arbeitsbelastungen durch eine höhere Bezahlung auszugleichen. Es gehe jedoch nicht darum, durch die höheren Kosten für den Arbeitgeber die Freizeit von Teilzeitkräften abzusichern. Zu diesem Zweck gebiete der TVöD-K an anderer Stelle, dass Teilzeitkräfte nur Mehrarbeit leisten müssen, wenn sie dem zugestimmt haben.
Fazit
Das Landesarbeitsgericht weicht auf den ersten Blick von der Rechtsprechung des BAG ab. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es bei den Fällen jeweils um die Auslegung von unterschiedlichen Tarifverträgen geht. Ob die Entscheidung des LAG trotzdem mit den Grundsätzen des BAG unvereinbar ist, wird sich wahrscheinlich in der nächsten Instanz herausstellen. Das LAG hat die Revision zum BAG zugelassen, die auch bereits eingelegt wurde (6 AZR 332/19).
Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil v. 13.06.2019, Az. 3 Sa 348/18