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Vergütung der Reisezeit: Muss Arbeitgeber gesamte Dauer der An- und Abreise bezahlen?

Mittwoch, 31.10.2018

Der Arbeitgeber schuldet die Vergütung der Reisezeit eines Arbeitnehmers für dessen Dienstreisen. Es handelt sich um normale Arbeitszeit, sofern die Reisen auf Anweisung des Arbeitgebers erfolgen. Überschreitet eine Reise die reguläre Arbeitszeit, ist die Frage der Vergütung stets abhängig vom Einzelfall.

Entsendet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, so muss er für die Reisezeit sowohl den Hinweg zur Arbeitsstelle als auch den Rückweg in der Regel vergüten.

So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 17.10.2018 entschieden.

Reisetätigkeiten eines ArbeitnehmersZum Hintergrund: Wann ist Reisezeit Arbeitszeit?

Für Reisetätigkeiten über die vertragliche Arbeitszeit hinaus fehlt es an einer speziellen gesetzlichen Regelung. Hier greift man in der Praxis auf die eher unbestimmte Regelung aus § 612 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurück. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Wann solche Umstände genau vorliegen, kann nicht einheitlich beantwortet werden. Das BAG hat immer wieder betont, dass es dafür keine einheitliche Regel gebe.

Zum Sachverhalt: Reisen über Umwege

Im Fall war der Arbeitnehmer als technischer Mitarbeiter bei der Arbeitgeberin beschäftigt und dabei arbeitsvertraglich verpflichtet, auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland zu arbeiten. Für eine Dienstreise über mehrere Monate buchte die Arbeitgeberin auf Wunsch des Arbeitnehmers statt eines Flugs in der Economy Class einen Flug in der Business Class mit extra Zwischenstopp. Die Arbeitgeberin bezahlte dem Arbeitnehmer für vier Reisetage nur die arbeitsvertragliche Vergütung für jeweils acht Stunden. Mit seiner Klage verlangt der Arbeitnehmer nun darüber hinaus die Vergütung der gesamten Zeit, die er von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück benötigte.

Zur Entscheidung: Vergütung der Reisezeit geschuldet

Das Gericht betonte, dass die Reisen zur Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse der Arbeitgeberin erfolgten. Deshalb sei die Zeit in der Regel auch wie Arbeit zu vergüten. Dies gelte auch und gerade für die Reisezeit, die die übliche Arbeitszeit übersteige. Zur Feststellung der genauen erforderlichen Reisezeit des Arbeitnehmers hat das BAG die Sache zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Bei der Berechnung der erforderlichen Reisezeit wird natürlich auch zu berücksichtigen sein, dass die Zeit für den Zwischenstopp auf Wunsch des Arbeitnehmers anfiel.

Fazit:

Eine wegweisende Entscheidung für alle, die beruflich viel ins Ausland reisen müssen. Es bleibt allerdings abzuwarten, inwiefern diese Rechtsprechung des BAG ohne Einschränkung gilt. Ohne die schriftliche Urteilsbegründung (bisher ist nur die Pressemitteilung veröffentlicht) kann nicht genau gesagt werden, ob der Vergütungsanspruch auf einen speziellen Tarifvertrag oder die allgemeine Regelung des § 612 BGB gestützt wird.

Lesen Sie hier gerne einen weiteren unserer Beiträge, der sich mit der Vergütung von streitiger Arbeitszeit auseinandersetzt.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 17.10.2018, 5 AZR 553/17.