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Urlaubsansprüche von Langzeiterkrankten – ein Update

Mittwoch, 05.07.2023

Die Frage, ob bzw. wann Urlaubsansprüche verfallen, wenn Arbeitnehmer:innen dauerhaft erkrankt sind, hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren viel beschäftigt. Insbesondere ging es dabei auch um das Thema, welche „Mitwirkungsobliegenheiten“ Arbeitgeber haben: Grundsätzlich müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter nämlich rechtzeitig auf ihre noch offenen Urlaubsansprüche und den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche hinweisen. Anderenfalls verfällt der Urlaub nicht. Doch gilt das auch im Falle von Langzeiterkrankten?

Einige neuere Urteile des Bundesarbeitsgerichts zu dem Thema (BAG Urteil vom 20. Dezember 2022, Az. 9 AZR 245/19 und BAG, Urteil vom 31. Januar 2023, Az. 9 AZR 107/20) bringen nun etwas mehr Klarheit.

Entscheidend ist, wann der Urlaubsanspruch entstanden ist

Urlaubsansprüche, die erst während einer langandauernden Krankheit entstehen, erlöschen grundsätzlich 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres. Das gilt auch dann, wenn der/die Arbeitgeber:in über den drohenden Verfall nicht informiert hat. Ist also Mitarbeiterin A vom 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2022 erkrankt gewesen, verfällt der Urlaub aus dem Jahr 2020 am 31.3. 2022 (also 15 Monate nach Ende des Jahres 2020).

Nach Erfüllung der Wartezeit (§ 4 BUrlG) entsteht der Anspruch auf den gesamten Jahresurlaub i.d.R. bereits am 1. Januar eines Jahres. Wird ein:e Mitarbeiter:in erst im März dauerhaft krank, so ist der gesamte Urlaubsanspruch bereits vor der Erkrankung entstanden und entsteht nicht, wie im ersten Beispiel, erst während der Krankheit. In diesem Fall erlischt der bereits entstandene und noch nicht genommene nur dann nach 15 Monaten, wenn der/die Arbeitgeber:in die Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt hat.

Hintergrund ist, dass der/die Mitarbeiter:in den Urlaub bei rechtzeitigem Hinweis auch vor der Erkrankung hätte nehmen können – so das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 20. Dezember 2020 (s.o.). Der Urlaub kann dann noch nach Ende der Erkrankung in Anspruch genommen werden.

Um die Mitwirkungsobliegenheit zu erfüllen, müssen Unternehmen bereits sehr früh im Kalenderjahr auf den drohenden Urlaubsverfall hinweisen. Denn nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Januar 2023 (s.o.) verfällt der Urlaub auch dann nicht, wenn ein Mitarbeiter bereits am 15. Januar eines Jahres langfristig erkrankt und der Arbeitgeber ihn zuvor nicht auf den noch bestehenden Urlaub und dessen möglichen Verfall hingewiesen hatte. Allerdings hätte der Mitarbeiter in diesem Fall auch dann nicht seinen gesamten Jahresurlaub von 20 Tagen nehmen können, wenn ihn das Unternehmen unverzüglich, d.h. innerhalb der ersten sechs Werktage des Jahres also bis zum 7. Januar, auf den drohenden Urlaubsverfall hingewiesen hätte. In diesem Fall hätte der Mitarbeiter bis zum Beginn seiner Erkrankung maximal sechs Urlaubstage nehmen können. Daher bleiben ihm laut Bundesarbeitsgericht auch nur diese sechs Urlaubstage erhalten – der Rest verfällt.

Konsequenzen für Arbeitgeber:innen

Unternehmen sind daher gut beraten, ihre Mitarbeiter:innen so früh wie möglich im Kalenderjahr unter Nennung der konkreten Urlaubstage auf den drohenden Urlaubsverfall hinzuweisen. In der zweiten Jahreshälfte und sobald eine langzeiterkrankte Person wieder arbeitsfähig wird, sollte der Hinweis wiederholt werden. Ein Muster für ein solches Hinweisschreiben stellen wir Ihnen gern zur Verfügung.

Außerdem sollte in neuen Arbeitsverträgen eine Regelung enthalten sein, wonach zumindest der vertragliche Zusatzurlaub auch ohne vorherigen Hinweis seitens des Unternehmens verfällt.

BAG Urteil vom 20. Dezember 2022, Az. 9 AZR 245/19

BAG, Urteil vom 31. Januar 2023, Az. 9 AZR 107/20