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Verfall von Urlaubsansprüchen zum Jahresende

Freitag, 09.12.2022

Das Bundesurlaubsgesetz sieht in § 7 Abs. 3 vor, dass der Mindesturlaub von vier Wochen zum Jahresende verfällt, wenn er nicht in natura gewährt und genommen wird. Eine Übertragung in das nächste Jahr ist nur dann vorgesehen, wenn der Urlaub im laufenden Jahr aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht genommen werden kann. Und auch dann muss der Urlaub bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden, da er ansonsten verfällt.

Hinweispflichten der Arbeitgeber

Ganz so einfach ist es aber nicht: Neben dem Bundesurlaubsgesetz ist nämlich auch die EU-Richtlinie 2003/88/EG zu beachten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 06.11.2018, C-684/16 [Shimizu], Rn.45) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 541/15, Rn.30) verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums danach nicht automatisch. Vielmehr müssen Arbeitgeber mitwirken: Sie müssen ihre Mitarbeiter:innen rechtzeitig auf die Gefahr des Urlaubsverfalls hinweisen und sie dazu auffordern, den noch offenen Urlaub zu nehmen. Nur dann kann der Urlaubsanspruch verfallen.

Verjährung des Urlaubsanspruchs nach drei Jahren

Ohne diesen Hinweis verfällt der Urlaub nicht am Jahresende, sondern tritt zum Urlaubsanspruch des Folgejahres hinzu. So können über Jahre hinweg immer höhere Urlaubsansprüche angehäuft werden. Im Herbst 2022 hatte der Europäische Gerichtshof nun zusätzlich über die Frage zu entscheiden, ob Urlaubsansprüche, wenn sie nicht zum Jahresende verfallen, dann doch der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren nach §§ 195, 199 BGB unterliegen. Diese Frage hatte das Bundesarbeitsgericht dem EuGH vor zwei Jahren vorgelegt, BAG, Beschluss vom 29.09.2020, 9 AZR 266/20. Der EuGH (EuGH, Urteil vom 22.09.2022, C-120/21) hat nun entschieden:

Auch auf die Verjährung von Urlaubsansprüchen nach drei Jahren kann sich als Arbeitgeber nur berufen, wer zuvor seine urlaubsrechtlichen Hinweis- und Mitwirkungspflichten erfüllt hat. Anderenfalls habe der Arbeitgeber selbst dazu beigetragen, dass immer höhere Urlaubsansprüche angesammelt wurden. Er könne sich im Nachhinein nicht auf die Verjährung dieser Ansprüche berufen.

Anderes gilt im Falle von Langzeiterkrankten: Hier erkennt der EuGH auch ein Schutzinteresse des Arbeitgebers an. Urlaubsansprüche verfallen in diesen Fällen fünfzehn Monate nach Ende des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind, d.h. am 31. März des übernächsten Jahres.

Praxistipp

Für Arbeitgeber ist es mit dem neuesten EuGH Urteil noch wichtiger geworden, die Hinweispflichten zu erfüllen. Hierfür genügt ein einfaches Schreiben an die Mitarbeiter:innen, in dem die individuell verbleibenden Urlaubstage genannt und die Mitarbeiter dazu aufgefordert werden, den Urlaub vor Ablauf des Übertragungszeitraums zu nehmen. Wichtig ist zudem der Hinweis, dass der Urlaub anderenfalls verfällt.