Urlaubsanspruch einer Geschäftsführerin
Arbeitnehmer*innen steht auf Grundlage des Bundesurlaubsgesetzes ein Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub im Umfange von 20 Tagen (bei einer 5-Tage Woche) zu. Vertraglich wird oft noch ein darüber hinaus gehender Urlaubsanspruch vereinbart.
Wer als Arbeitnehmer*in gilt und sich somit auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch berufen kann, ist in den meisten Fällen unproblematisch feststellbar. Maßgeblich ist nach § 612 a BGB, dass eine weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Nicht als Arbeitnehmer gelten danach üblicherweise Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstände einer Aktiengesellschaft. Diese sind als Organ und gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person weitgehend weisungsunabhängig und passen daher nicht in das übliche Bild eines schutzbedürftigen Arbeitnehmers.
Dass dies aber nicht ausnahmslos gelten muss, hat das Bundesarbeitsgericht in einer aktuellen Entscheidung zu den Urlaubsansprüchen einer Fremdgeschäftsführerin festgestellt. In dem dortigen Fall hatte eine (Fremd-)Geschäftsführerin die GmbH nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses auf Abgeltung von Erholungsurlaub in Anspruch genommen. Die GmbH weigerte sich zu zahlen und verwies darauf, dass die Geschäftsführerin keine Arbeitnehmerin gewesen sei. Das Bundesarbeitsgericht gab, wie zuvor das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht, der Klägerin Recht. Das Bundesurlaubsgesetz sei unter Berücksichtigung des vorrangigen europäischen Rechts, insbesondere der EU-Richtlinie 2003/88/EG auszulegen. Danach könne sich unter bestimmten Umständen ein vom deutschen Recht abweichender Arbeitnehmerbegriff ergeben. Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts könnten demnach auch Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften sein, wenn ein ausreichendes Maß an Weisungsgebundenheit vorliegt.
In dem konkreten Fall bestanden die Aufgaben der Geschäftsführerin in Wesentlichen in typischen Aufgaben eines Angestellten. Sie hatte auf Anweisung eine Arbeitszeit von 07:00 Uhr bis 18:00 Uhr einzuhalten, musste vormittags eine sog. „Kaltakquise“ durchzuführen, indem sie eigeninitiativ Firmen anrief und Leistungen der Z GmbH, Geschäftsstelle M, anbot. Nachmittags waren im Außendienst Kundenbesuche und Kontroll- und Überwachungsaufgaben zu erledigen. Es bestand die Vorgabe, wöchentlich 40 Telefonate und 20 Besuche durchzuführen und nachzuweisen. Darüber hinaus führte sie die Vorstellungsgespräche und Einstellungsverhandlungen. Nach § 7 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten konnte sie als Geschäftsführerin jederzeit abberufen werden. Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin Mehrheitsgesellschafterin war oder eine Sperrminorität besaß, waren nicht ersichtlich. Aufgrund dieses Sachverhaltes sah das Bundesarbeitsgericht eine so weitreichende Weisungsgebundenheit der Klägerin, dass sie als Arbeitnehmerin im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes einzuordnen ist. Ihr standen daher die eingeklagten Abgeltungsansprüche zu.
Zu beachten ist, dass es sich um einen Einzelfall handelte. Auf andere Fällen, in denen etwa der Geschäftsführer zugleich Mitgesellschafter des Unternehmens ist oder in denen die Weisungsgebundenheit aus sonstigen Gründen nicht so ausgeprägt ist, kann ein gesetzlicher Urlaubsanspruch weiter zu verneinen sein.
BAG, Urteil vom 25. Juli 2023 – 9 AZR 43/22 –