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Ungewisse vorzeitige Haftentlassung steht einer Kündigung nicht entgegen

Dienstag, 20.03.2018

Eine personenbedingte Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer, der wegen einer privat begangenen Straftat eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren antritt, kann sozial gerechtfertigt sein. Insbesondere eine ungewisse vorzeitige Haftentlassung ändert daran nichts. Dies hat das Landesarbeitsgericht Hessen in einer neueren Entscheidung klargestellt.

Wer eine Straftat begeht, muss nicht nur mit Konsequenzen vonseiten der Justiz rechnen; häufig hat dies auch Auswirkungen auf ein bestehendes Arbeitsverhältnis. Arbeitsrechtlich sind dabei zwei Konstellationen zu unterscheiden – nämlich Straftaten mit Bezug zum Arbeitsverhältnis und Straftaten ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis.

Kündigung wegen Straftat mit Arbeitsbezug

Straftaten mit Bezug zum Arbeitsverhältnis stellen stets eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Sie können zum einen das Verhältnis zum Arbeitgeber unmittelbar betreffen, etwa, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bestiehlt oder bei der Spesenabrechnung betrügt. Zum anderen können Straftaten auch mit Arbeitsbezug, aber ohne direkten Bezug zum Arbeitgeber begangen werden, beispielsweise, wenn der Arbeitnehmer Kollegen beleidigt oder Kunden bestiehlt. In beiden Fällen wird das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oft so nachhaltig erschüttert, dass die Tat eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen kann.

Kündigung wegen Straftat ohne Arbeitsbezug

Ungewisse vorzeitige HaftentlassungStraftaten ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis – also solche, die rein „privat“ begangen werden – stellen demgegenüber keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar und können daher auch keine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Aber Vorsicht: Möglich bleibt gleichwohl eine personenbedingte Kündigung, wenn die vom Arbeitnehmer begangene Straftat belegt, dass er die von ihm geschuldete Arbeitsleistung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbringen kann. Dies betrifft nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) auch den Fall, dass der Arbeitnehmer infolge einer privat begangenen Straftat eine Haftstrafe antreten muss, wenn zu erwarten ist, dass die Haft mehr als zwei Jahre dauern wird. Daran ändert auch eine ungewisse vorzeitige Haftentlassung nichts.

Ungewisse vorzeitige Haftentlassung: Kündigungsgrund?

Über einen solchen Fall hatte im November letzten Jahres auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen zu befinden: Ein als Bäcker beschäftigter Arbeitnehmer hatte in seiner Freizeit einen Raub begangen und war deswegen zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt worden. Kurz nach seinem Haftantritt kündigte ihm seine Arbeitgeberin personenbedingt ordentlich und fristgerecht unter Verweis auf die mehr als zweijährige Haftstrafe. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Kündigungsschutzklage und argumentierte, zum Zeitpunkt der Kündigung sei bereits mit seiner vorzeitigen Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren zu rechnen gewesen. Ferner verwies er darauf, dass der Arbeitgeber ihm seine Stelle auch dann hätte freihalten müssen, wenn er eine mehrjährige Elternzeit genommen hätte.

Sowohl das Arbeitsgericht, als auch das LAG wiesen seine Klage jedoch ab: Zum Zeitpunkt der Kündigung habe es keine sicheren Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Arbeitnehmer frühzeitig, d.h. vor Ablauf von zwei Jahren, entlassen würde – die vorzeitige Entlassung habe beim Ausspruch der Kündigung nur eine ungewisse Möglichkeit dargestellt.

Keine Vergleichbarkeit mit Elternzeit – übergeordnetes Interesse fehlt

Das LAG betonte, dem Arbeitgeber könne in einem solchen Fall regelmäßig nicht zugemutet werden, nur „Überbrückungsmaßnahmen“ zu treffen, anstatt den Arbeitsplatz neu zu besetzen. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers gehe mit dem Verlust von Erfahrung und Kenntnissen einher, sodass ihn der Arbeitgeber bei Rückkehr ggf. sogar neu einarbeiten müsse. Eine ähnliche Situation ergebe sich zwar, wenn der Arbeitnehmer für längere Zeit in Elternzeit gehe – allerdings gebe es für den Fall der Elternzeit klare gesetzliche Regelungen, die übergeordnete Interessen (Erziehung, Schutz von Ehe und Familie) sichern sollten. Der Arbeitnehmer habe aber weder Elternzeit in Anspruch genommen, noch gebe es eine entsprechende gesetzliche Regelung für Inhaftierte.

Die Kündigung war demnach wirksam und die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers nicht erfolgreich.

Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 21.11.2017 – Az.: 8 Sa 146/17