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Lieferdienst muss seinen Mitarbeitern Fahrrad und Smartphone zur Verfügung stellen

Dienstag, 06.07.2021

Fahrradlieferanten, die Speisen und Getränke an Kunden ausliefern, haben gegen ihren Arbeitgeber einen Anspruch auf Stellung eines verkehrstüchtigen Fahrrads und eines internetfähigen Mobiltelefons zur dienstlichen Nutzung, wenn der Arbeitsvertrag nicht etwas Abweichendes regelt. Das entschied das Landesarbeitsgericht Hessen.

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zur Ausübung seiner Tätigkeit ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein Smartphone zur Verfügung zu stellen.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Fahrradlieferant beschäftigt und liefert Speisen und Getränke an Kunden aus. Die Einsatzpläne, die Adressen der Restaurants und die der Kunden werden dem Kläger per App auf seinem Smartphone mitgeteilt. Der Arbeitsvertrag sowie der Pfandvertrag regeln, dass der Kläger während seiner Einsätze als Fahrradlieferant die Ausstattung („Equipment“) der Beklagten nutze, hierfür aber ein Pfand von EUR 100,00 einbehalten werde. Zu dieser Ausstattung gehörte aber weder ein Smartphone noch ein Fahrrad. Auch enthielt der Arbeitsvertrag die Verpflichtung des Klägers, ein verkehrstüchtiges Fahrrad zu nutzen. Die Beklagte gab ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit, je gearbeiteter Stunde ein Guthaben von EUR 0,25 für Fahrradreparaturen zu verlangen.

Fahrrad und Smartphone als Betriebsmittel

Das LAG Hessen gab dem Kläger Recht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger nicht verpflichtet, zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung als Fahrradlieferant sein eigenes verkehrstüchtiges Fahrrad und internetfähiges Mobiltelefon mit Datennutzungsvertrag zu nutzen. Die Klausel im Arbeits- und Pfandvertrag sei zwar dahingehend auszulegen, dass der Arbeitnehmer nur diejenigen Arbeitsmittel gestellt bekomme, die im Pfandvertrag angegeben sind, also gerade kein internetfähiges Mobiltelefon und kein Fahrrad. Die Klausel sei jedoch gem. § 307 Abs.1, 2 Nr.1 BGB unwirksam. Sie weiche vom wesentlichen Grundgedanken der §§ 611a, 615 S.3, 618 BGB ab.

Klausel ist unwirksam

Nach § 618 BGB schulde ein Arbeitnehmer lediglich die Erbringung seiner Arbeitsleistung und werde hierfür vergütet, während die Stellung der Betriebsmittel und die hiermit verbundene Kostentragung vom Arbeitgeber zu leisten seien und dieser das Risiko trage, dass die Arbeitsleistung mangels funktionsfähiger Betriebsmittel nicht erbracht werden könne. Die Regelung des Arbeitsvertrags i.V.m. dem Pfandvertrag bürde dem Kläger Pflichten und Risiken auf, die nach der gesetzlichen Regelung den Arbeitgeber treffen, ohne hier für eine Kompensation vorzusehen.

Die Nutzung eines eigenen Fahrrades und eines eigenen Mobiltelefons gehören nicht zur selbstverständlichen Einsatzpflicht des Arbeitnehmers, wie beispielsweise dessen Privatkleidung. Sowohl das Fahrrad als auch das Smartphone werden zudem durch den Gebrauch im Rahmen der Erbringung der Arbeitsleistung abgenutzt und es besteht die Gefahr von Beschädigungen und Verlust. Auch die Möglichkeit der Arbeitnehmer, pro gearbeiteter Stunde EUR 0,25 für Fahrradreparaturen bei der Beklagten abzurufen, stelle keine ausreichende Kompensation dar. Dem Kläger habe somit gegen die Beklagten einen einklagbaren Anspruch auf Überlassung eines verkehrstüchtigen Fahrrads und eines internetfähigen Mobiltelefons mit entsprechender Datennutzungsvertrag.

LAG Hessen, Urt. v. 19.02.2021 – 14 Sa 306/20