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Kürzung von Betriebsrenten wegen Störung der Geschäftsgrundlage?

Mittwoch, 20.01.2021

Viele Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern in der Vergangenheit Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge zusagt haben, sehen sich stetig steigenden Kosten zur Deckung dieser Lasten gegenüber. Insbesondere durch die höhere Lebenserwartung der Betriebsrentner, aber auch durch die anhaltenden Niedrigzinsen fällt es Unternehmen schwer, die Ruhegeldzusagen weiterhin wie vereinbart zu erfüllen. Unter Hinweis auf die zunehmende wirtschaftliche Belastung versuchen daher viele dieser Arbeitgeber, die zugesagten Leistungen einseitig zu kürzen oder anzupassen. In einem aktuellen Fall hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 8. Dezember 2020 – 3 AZR 64/19 -) entschieden, dass die vom Arbeitgeber vorgenommene Kürzung einer Ruhegeldzusage nicht zulässig war.

Der Sachverhalt:

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war bei der Beklagten in leitender Position beschäftigt. Ihm war im Jahr 1976 eine Ruhegehaltszusage erteilt worden, die auch eine Hinterbliebenenversorgung umfasste. Diese enthielt eine Anpassungsregel, nach der die Versorgungsbezüge entsprechend der Entwicklung der maßgeblichen Tarifgehälter anzupassen sind. Die Beklagte gab die jeweiligen tariflichen Gehaltserhöhungen bis 2016 an die Klägerin als Bezieherin einer Witwenrente vereinbarungsgemäß weiter. Im Juli 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie berufe sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB und werde die Anpassungsverpflichtung aus der Ruhegehaltszusage künftig nicht mehr wie bisher erfüllen. Erhöhungen der Witwenrente würden nur noch nach § 16 BetrAVG vorgenommen werden. Grund für die Störung der Geschäftsgrundlage seien erheblich erhöhte Rückstellungen, die sie nach Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes 2010 (BilMoG) in ihrer Handelsbilanz aufgrund erheblich gestiegener Barwerte der Versorgungszusagen – auch der streitgegenständlichen Zusage – einzustellen habe. Die Klägerin meinte, die Beklagte sei weiterhin uneingeschränkt an die Anpassungsregelung in der Ruhegeldzusage gebunden und verlangt von der Beklagten die Zahlung der Differenzbeträge für den Zeitraum Juli 2016 bis März 2017. Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hatte auf die Berufung der Beklagten die Klage dagegen abgewiesen.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Das BAG gab der Klägerin Recht und wies darauf hin, dass nach den gesetzlichen Wertungen des Betriebsrentengesetzes ein Widerruf von Versorgungszusagen auch bei einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers nicht vorgesehen ist. Gleiches gelte dann für eine Änderung der Anpassungsregelung. In so einem Fall eine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen, widerspräche der gesetzlichen Risikoverteilung.

Die genaue Urteilsbegründung des BAG liegt bislang noch nicht vor. Es bleibt daher abzuwarten, welche Wertungen sich hieraus für andere Fälle unvorhergesehener wirtschaftlicher Mehrbelastungen ergeben.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. Dezember 2020 – 3 AZR 64/19 –