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Homeoffice -Pflicht – wie umsetzen?

Freitag, 22.01.2021

Auf dem Coronagipfel am 19. Januar 2021 wurde – neben anderen Regelungen – eine erweiterte Pflicht zum Homeoffice vereinbart. Zur Umsetzung dieser und anderer Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in den nächsten Tagen die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (kurz: Corona-ArbSchV) erlassen. Diese Verordnung soll voraussichtlich schon am 27. Januar 2021 in Kraft treten und vorerst bis zum 15. März 2021 gelten.

Für erhebliches Aufsehen und viele Fragen schon im Vorfeld sorgte dabei die diskutierte neue Pflicht für Arbeitgeber, Beschäftigte ins Homeoffice zu schicken.

Wie weitreichend aber ist diese Pflicht, was muss ein Arbeitgeber wirklich tun und was nicht, und welche Pflichten ergeben sich für die Beschäftigten?

Sehen wir uns zunächst den Wortlaut der kommenden Verordnung an. § 2 Abs. 4 des Verordnungsentwurfs (Bearbeitungsstand des Entwurfs vom 20. Januar 2021, 15.34 Uhr) sieht folgendes vor:
„Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.“
Daraus folgt:

1. Homeoffice nur für Büroarbeit oder vergleichbare Tätigkeit

Arbeitgeber müssen Homeoffice nur dann anbieten, wenn die Arbeit grundsätzlich auch dafür geeignet ist. Das dürfte vor allem solche Arbeitsplätze betreffen, an denen überwiegend mit normalen Bürocomputern/Laptops und Telefon gearbeitet wird.
Für Arbeiten, die ihrem Wesen nach dafür ungeeignet sind, etwa weil sie nur an bestimmten Orten und nicht in Privatwohnungen der Beschäftigten durchgeführt werden können (z.B. Arbeit am Fließband oder im Pflegebereich), muss ein Arbeitgeber kein Homeoffice anbieten.

2. Keine entgegenstehenden zwingenden betriebsbedingten Gründe

Auch bei – dem Grunde nach für Homeoffice geeigneten – Büroarbeitsplätzen kann es Situationen geben, die eine Auslagerung in die Privatwohnung unmöglich machen.
Das können z.B. ungeeignete räumliche oder technische Voraussetzungen in der Privatwohnung der Beschäftigten sein – etwa ein fehlender Internetzugang in der Privatwohnung, aber auch das Fehlen eines geeigneten abtrennbaren Arbeitsbereichs, an dem Beschäftigte ohne Störung durch Familienmitglieder oder Mitbewohner vertrauliche Dokumente bearbeiten können. Die ungenügende technische Ausstattung in der Wohnung, etwa das Fehlen eines Rechners, ist dagegen nicht automatisch ein Hinderungsgrund. Da es für die meisten Büro- und vergleichbaren Arbeiten umsetzbar ist, den Beschäftigten durch die Bereitstellung z.B. von mobilen Arbeitsrechnern und Mobiltelefonen die Arbeit in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, liegt kein „zwingender“ Hinderungsgrund vor.
Die durch Bereitstellung von zusätzlicher Technik entstehenden Kosten und eventueller organisatorische Mehraufwand beim Wechsel von Präsenz- zu Heimarbeit mögen für den Arbeitgeber ärgerlich sein, sie stehen dem Homeoffice aber nicht „zwingend“ entgegen und entbinden den Arbeitgeber deshalb nicht von seiner Pflicht.

3. Arbeitgeber muss Homeoffice nur ermöglichen, nicht durchsetzen

Die Verordnung verpflichtet Arbeitgeber lediglich, den Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice „anzubieten“.
Die Arbeitgeber müssen bei Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen von sich aus den Beschäftigten diese Möglichkeit aufzeigen und ihnen aktiv das Angebot machen, ins Homeoffice zu wechseln. Es reicht nicht, als Arbeitgeber untätig zu bleiben und nur auf Anfragen von Beschäftigten nach Homeoffice zu reagieren.
Frist- und Formvorschriften für das Angebot enthält die Verordnung zwar nicht. Es kann mündlich erfolgen, aber auch z.B. in größeren Betrieben per Rundmail oder in sonstiger geeigneter Weise.
Das Angebot muss in jedem Fall ernstgemeint sein und darf bei den Beschäftigten nicht den Eindruck erwecken, dass sie bei Annahme des Angebots mit Missbilligung oder Nachteilen durch den Arbeitgeber rechnen müssen. Ein nur „pro forma“ erteiltes Angebot, bei dem der Arbeitgeber erkennen lässt, dass er nur seiner rechtlichen Pflicht nachkommt, dies aber ablehnt, könnte die Beschäftigten unter Druck setzen und aus Angst vor Konflikten davon abbringen, die Homeofficemöglichkeit anzunehmen.

Die Pflicht umfasst, auch wenn dies in der Corona-ArbSchV so nicht explizit geregelt ist, nicht nur das reine (verbale) Angebot zum Homeoffice. Nehmen Beschäftige das Angebot an, so müssen Arbeitgeber alles Notwendige tun, um die Arbeit in der Wohnung auch tatsächlich zu ermöglichen. Das umfasst z.B. die Bereitstellung von Arbeitsmitteln, aber auch eine eventuell notwendige Gefährdungsbeurteilung. Es gelten die üblichen Regelungen und Pflichten, die auch vor Inkrafttreten der Verordnung für die Einführung und Umsetzung von Homeoffice bestanden haben.
Umgekehrt verpflichtet die Corona-ArbSchV den Arbeitgeber nicht, die Arbeit im Homeoffice auch tatsächlich durchzusetzen. Lehnt ein Arbeitnehmer das Angebot ab, dann muss der Arbeitgeber das im Regelfall akzeptieren und es bleibt bei der Arbeit im Betrieb wie bisher.

Der Arbeitgeber hat dann selbstverständlich alle weiteren bereits bestehenden sowie die in der Corona-ArbSchV neu geregelten Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um das Kontakt- und Ansteckungsrisiko im Betrieb zu minimieren, etwa die Durchsetzung der Einhaltung von Abstandsregelungen, Lüftungsmaßnahmen oder die Bereitstellung von medizinischen Gesichtsmasken oder FFP2-Masken.

4. Arbeitnehmer müssen Homeoffice-Angebot nicht annehmen

Ebenso wie ein Arbeitgeber aufgrund der neuen Corona-ArbSchV nicht verpflichtet ist, Homeoffice zwingend anzuweisen, sind Arbeitnehmer im Regelfall auch nicht verpflichtet, eine trotzdem erteilte Weisung des Arbeitgebers zum Homeoffice zu befolgen. Arbeitsrechtliche Konsequenzen haben sie bei einer Ablehnung im Normalfall nicht zu befürchten.

Jedenfalls dann, wenn nicht bereits im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart wurde, dass (auch) zu Hause gearbeitet wird, ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, Beschäftigte gegen ihren Willen ins Homeoffice zu schicken. Die Privatwohnung unterliegt dem besonderen Schutz des Grundgesetzes, auf die ein Arbeitgeber keinen Zugriff per Weisungsrecht hat.
Auch eine Arbeitsvertragsklausel, die den Arbeitsort offen lässt oder dem Arbeitgeber die Möglichkeit einräumt, den Arbeitsort frei zu bestimmen, berechtigt den Arbeitgeber nicht, Beschäftigte einseitig ins Homeoffice zu versetzen. Dies müsste ausdrücklich im Vertrag vereinbart sein, um dem Arbeitgeber ein solches Weisungsrecht zu geben und dem Beschäftigten eine entsprechende Pflicht aufzuerlegen.

Lehnen Beschäftigte das Angebot zum Homeoffice ab, bleiben sie natürlich trotzdem zur Arbeit verpflichtet. Es obliegt dann dem Arbeitgeber, den Beschäftigten die Arbeit im Betrieb unter Berücksichtigung der geltenden Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften zu ermöglichen.

Nicht auszuschließen ist dennoch, dass sich im Verlauf der Pandemie in einigen Betrieben Situationen ergeben können, die die Arbeit im Betrieb unmöglich machen und die vorübergehende Verlagerung der Beschäftigung ins Homeoffice dringend erforderlich machen. Hier kann es je nach den Umständen des Einzelfalls möglicherweise treuwidrig von den Beschäftigten sein, wenn sie trotz unproblematisch möglicher Heimarbeit und trotz Bereitstellung aller erforderlichen Hilfsmittel und Erstattung anfallender Kosten durch den Arbeitgeber die Arbeit im Homeoffice ohne erkennbaren Grund verweigern, und wenn der Arbeitgeber dann keine Möglichkeit hat, sie anderweitig zu beschäftigen. Es ist nicht auszuschließen, dass in solchen Ausnahmesituationen der Lohnanspruch für die Dauer der grundlosen Verweigerung des Homeoffice entfällt.



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