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ArbG Berlin zur Arbeitszeiterfassung mittels Fingerprint-System

Montag, 17.02.2020

An die Verarbeitung biometrischer Daten sind hohe Anforderungen  zu stellen – auch im Arbeitsverhältnis. Ein Zeiterfassungssystem, das Fingerabdrücke zur Identifizierung der Arbeitnehmer verwendet, ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Wenn der Arbeitgeber nicht nachweisen kann, dass das Fingerprint-System unbedingt erforderlich ist, muss der Arbeitnehmer dieses nicht verwenden.

So hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin am 16. Oktober 2019 entschieden.

Zeiterfassung mittels Fingerprint-System

Der Arbeitnehmer wehrt sich gegen ein Zeiterfassungssystem, das der Arbeitgeber neu eingeführt hat. Bei diesem System wird der Fingerabdruck der Mitarbeiter zunächst gescannt und dann durch ein Computerprogramm verarbeitet. Dieses Programm sucht nach individuellen Fingerlinienverzweigungen (Minutien) und speichert diese ab. Wenn die Mitarbeiter sich beim Zeiterfassungsterminal anmelden, wird ihr Fingerabdruck mit den gespeicherten Daten verglichen.

Der Fingerabdruck selbst wird nicht gespeichert und kann aus den gespeicherten Minutien nicht generiert werden.

Der Arbeitgeber mahnte den Arbeitnehmer ab, weil dieser das Zeiterfassungssystem nicht nutzen wollte. Vor Gericht verlangt der Arbeitnehmer nun die Entfernung dieser Abmahnungen aus seiner Personalakte.

Neues System nicht erforderlich

Das Gericht gab dem Arbeitnehmer recht. Es ist der Meinung, dass der Arbeitnehmer das Zeiterfassungssystem nicht nutzen müsse. Die Abmahnung sei also rechtswidrig und zu entfernen.

Bei den vom System verwendeten Datensätzen handele es sich um biometrische Daten, die durch das Datenschutzrecht besonders geschützt seien. Da die Verarbeitung dieser Daten in besonderem Maße die Privatsphäre der Mitarbeiter betreffe, sei sie nur in bestimmten Ausnahmen zulässig.

In diesem Fall liege weder die Zustimmung des betroffenen Mitarbeiters, noch eine kollektivrechtliche Vereinbarung (mit dem Betriebsrat) vor. Deshalb sei die Verarbeitung nur zulässig, wenn sie für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sei, § 26 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).

Dafür müssten die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

  1. Die Verarbeitung der Daten müsse geeignet sein, bestimmte Zwecke im Arbeitsverhältnis tatsächlich zu fördern.
  2. Es dürfe keine Möglichkeit geben, den Zweck mit weniger tiefen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht und gleich effektiv zu verfolgen.
  3. Zuletzt sei zwischen den Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers abzuwägen. Es müsse ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Zweck der Datenverwendung und der Grundrechtsbeeinträchtigung des Arbeitnehmers bestehen.

Generell gelte folgende Regel: Je intensiver in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingegriffen werde, desto wichtiger müsse der vom Arbeitgeber verfolgte Zweck sein.

Diesen Anforderungen entspreche die Datenverarbeitung hier nicht. Ein Fingerprint-System sei nur erforderlich, wenn ein anderes Zeiterfassungs-System von den Mitarbeitern nachweislich missbraucht worden sei. Diesbezüglich habe der Arbeitgeber aber nichts vorgetragen.

Fazit

Das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter steht einer Zeiterfassung mittels Fingerabdruck grundsätzlich entgegen. Nur wenn der Arbeitgeber nachweist, dass ein Fingerprint-System zur Verhinderung von Missbräuchen erforderlich ist, kann diese Art der Arbeitszeiterfassung zulässig sein.

Etwas Anderes gilt natürlich, wenn der Arbeitnehmer sein Einverständnis erklärt oder etwa eine entsprechende Betriebsvereinbarung im Unternehmen besteht.

 

Arbeitsgericht Berlin, Urteil v. 16.10.2019, Az. 29 Ca 5451/19.

In diesem Zusammenhang interessant: EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung

Am 14. Mai 2019 entschied der EuGH, dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichten müssen, Arbeitszeiterfassungssysteme einzurichten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Mindestruhezeiten und maximalen Arbeitszeiten eingehalten werden. Durch die Zeiterfassung haben die Arbeitnehmer in Zukunft also etwas in der Hand, um vor Gerichten oder Behörden ihre Rechte durchzusetzen.

Zurzeit verpflichtet das deutsche Recht die Arbeitgeber nur zur Erfassung der Überstunden und Mehrarbeit. Der deutsche Gesetzgeber muss das Urteil des EuGH also noch in nationales Recht umsetzen.