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Dauererkrankung des Arbeitnehmers: Urlaub verfällt auch ohne Belehrung

Montag, 23.09.2019

Viele Arbeitnehmer nehmen ihre Urlaubstage nicht im laufenden Kalenderjahr. Nach neuer Rechtsprechung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darüber belehren, dass offene Urlaubstage dann meist verfallen. Tut er dies nicht, kann der nicht genutzte Urlaub noch im Folgejahr genommen werden.

Diese Belehrungspflicht gilt jedoch nicht bei Dauererkrankung des Arbeitnehmers. In diesem Fall gehen die Urlaubstage auch ohne Belehrung unter. Der Arbeitgeber ist erst wieder verpflichtet, den Arbeitnehmer zu belehren, wenn dieser gesund und damit arbeitsfähig wird.

Dies hat das Landesarbeitsgericht in Hamm am 24.07.2019 entschieden.

Urlaub verfällt nur noch, wenn Arbeitgeber darüber belehrt

Arbeitnehmern steht mindestens der gesetzlich gewährte Urlaubsanspruch von vier Wochen zu. Er muss jedoch im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Sollten am Ende des Kalenderjahres noch Urlaubstage übrig bleiben, können diese ausnahmsweise bis zum 31.3. des Folgejahres genutzt werden. Dies müssen betriebliche oder persönliche Gründe erforderlich machen. Im Arbeits- oder Tarifvertrag können von diesen Regelungen teilweise Abweichungen vorgesehen werden.

Nach neuer Rechtslage gilt allerdings zu beachten: Der gesetzliche Urlaubsanspruch verfällt nur noch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen. Er muss auch darüber belehren, dass die offenen Urlaubstage zum Ende des Jahres oder zum 31.3. des Folgejahres verfallen, wenn sie nicht genommen werden.

Um diese Belehrungspflicht geht es auch in der vorliegenden Entscheidung.

Verfall des Urlaubs auch bei einer dauerhaften Erkrankung?

Dauererkrankung des ArbeitnehmersGeklagt hatte eine in einem Hospital angestellte Arbeitnehmerin. Diese erkrankte 2017 dauerhaft und konnte daher 14 Tage ihres Urlaubsanspruchs aus diesem Jahr nicht wahrnehmen.

Zunächst forderte die Arbeitnehmerin ihre Arbeitgeberin auf, ihr den Urlaub finanziell abzugelten. Da die Arbeitgeberin dies ablehnte, klagte sie schließlich vor dem Arbeitsgericht Paderborn. Sie beantragte die Feststellung, dass ihr die 14 Urlaubstage für das Jahr 2017 zustehen. Der Urlaubsanspruch sei ihrer Meinung nach schon deshalb nicht verfallen, da die Arbeitgeberin sie auf den drohenden Verfall habe hinweisen müssen, was nicht geschehen sei.

Das Arbeitsgericht wies die Klage in erster Instanz ab. Die Arbeitnehmerin wehrte sich dagegen, indem sie Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Hamm einlegte.

LAG Hamm: Keine Belehrungspflicht bei einer langfristig erkrankten Arbeitnehmerin

Die Richter bestätigten jedoch das Urteil. Der restliche Urlaubsanspruch für das Jahr 2017 sei erloschen.

Zum einen sei es der Arbeitgeberin gar nicht möglich gewesen, die Arbeitnehmerin hinsichtlich eines drohenden Verfalles ordnungsgemäß zu belehren. Eine solche Belehrung ergebe nur dann Sinn, wenn die Arbeitnehmerin überhaupt in der Lage sei, auf diese zu reagieren und den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Bei einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit sei dies nicht der Fall.

Es bestehe solange keine Belehrungspflicht, wie die Arbeitnehmerin arbeitsunfähig sei. Erst wenn sie wieder arbeitsfähig und damit auch tatsächlich in der Lage sei, den Urlaub anzutreten, bestehe die Belehrungspflicht wieder.

Bleibe die Arbeitnehmerin jedoch durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, verfalle der gesetzliche Urlaubsanspruch 15 Monate nach dem Ende des Jahres, aus dem der Urlaub stamme. Eine vorherige Belehrung durch den Arbeitgeber sei dafür nicht erforderlich.

Fazit

Urlaubstage von langzeiterkrankten Arbeitnehmern erlöschen 15 Monate nach Ablauf des Jahres, aus dem sie stammen. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer über ihren Verfall nicht belehrt wurde. Erst wenn der Arbeitnehmer wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt, muss der Arbeitgeber ihn über dann noch offene Urlaubstage belehren. Tut er das nicht, können sie ins Folgejahr übertragen werden.

Gegen die Entscheidung wurde Revision eingelegt. Wahrscheinlich wird also das Bundesarbeitsgericht über den Sachverhalt noch entscheiden.

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 24.07.2019, Az. 5 Sa 676/19