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Aufhebungsvertrag: Verhandlung mit „harten Bandagen“

Montag, 20.06.2022

Wer einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, muss sich auch an ihn halten. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn durch Vorgesetzte starker psychischer Druck ausgeübt wird. Bei Verhandlungen über Aufhebungsverträge haben Vorgesetzte daher viel Spielraum, auch wenn es natürlich Grenzen gibt. Arbeitnehmer:innen bereitet es aus diesem Grund häufig Schwierigkeiten, sich im Nachhinein doch noch wegen unzulässiger Verhandlungsmethoden vom Aufhebungsvertrag zu lösen.

 

So hat das Bundesarbeitsgericht zuletzt die Klage einer Arbeitnehmerin endgültig abgewiesen, die versuchte, den von ihr unterschriebenen Aufhebungsvertrag im Nachhinein anzufechten.

Sachverhalt: Angebot konnte nur sofort angenommen werden

Die Klägerin war bei einem Unternehmen als Teamkoordinatorin Verkauf angestellt. Sie wurde zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer und einem Unternehmensjuristen am 22. November 2022 eingeladen. Der Jurist stellte sich als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vor. Der Inhalt des Gesprächs wurde ihr nicht vorher angekündigt. Dort wurde der Klägerin zum ersten Mal vorgeworfen, unberechtigt Einkaufspreise im elektronischen System des Unternehmens verändert zu haben, um so höhere Verkaufsgewinne vorzutäuschen. Dann wurde ihr ein Aufhebungsvertrag mit dem Beendigungsdatum zum 30. November 2022 angeboten.

Laut der Klägerin wurde ihr mit einer fristlosen Kündigung sowie einer Strafanzeige gedroht für den Fall, dass sie den Vertrag nicht sofort unterschreibe. Sie habe um Bedenkzeit gebeten und Zeit, um sich beraten zu lassen. Das sei ihr aber verweigert worden mit dem Hinweis, dass das Angebot nur sofort angenommen werden könne. Nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der alle drei schweigend am Tisch saßen, unterzeichnete die Klägerin den Aufhebungsvertrag.

Drohungen mit fristloser Kündigung und Strafanzeige möglich

Vorgesetzte können mit einer fristlosen Kündigung oder sogar einer Strafanzeige drohen, wenn sie diese objektiv gesehen ernsthaft in Erwägung ziehen dürfen. Aufhebungsverträge sind deshalb unwirksam, wenn die angedrohten Konsequenzen rechtlich offensichtlich unhaltbar sind. Hier stand aber potenziell betrügerisches Verhalten im Raum, so dass die Arbeitgeberin Grund genug hatte, fristlose Kündigung und Strafanzeige zu erwägen.

Trotz massivem Druck kein unfaires Verhandeln

Etwas überraschend hat das Bundesarbeitsgericht darüber hinaus entschieden, dass die Arbeitgeberin hier auch nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen hat. In einer Entscheidung von 2019 hatte das Gericht noch betont, es dürfe keine „psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt werden, die eine freie und überlegte Entscheidung über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert oder unmöglich macht“. Nach der zuletzt ergangenen Entscheidung haben Vorgesetzte bei den Verhandlungen über Aufhebungsverträge doch viel Spielraum, massiven Druck auszuüben. Hier kommen ein unangekündigtes Gespräch, „Überzahl“ einschließlich Rechtsanwalt, Drohung mit fristloser Kündigung und Strafanzeige sowie keine Bedenkzeit oder Möglichkeit zur Beratung zusammen.

Praxistipps

Nach dieser Entscheidung haben Arbeitgeber:innen mehr Klarheit über zulässige Druckmittel beim Aufhebungsvertrag. Für Arbeitnehmer:innen gilt umso der mehr dringende Rat, nie unüberlegt Verträge zu unterschreiben. Beide Seiten sollten Inhalt und Umstände heikler Gespräche dokumentieren.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.2.2022, Aktenzeichen 6 AZR 333/21