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Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim innerbetrieblichen Umgang mit Corona

Dienstag, 13.04.2021

Das Aushändigen von Formularen an Arbeitnehmer:innen, die vom Arbeitgeber erstellt worden sind und innerbetriebliche Regelungen zum Umgang mit dem Corona-Virus enthalten, unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrates, wenn dem Arbeitgeber bei der Umsetzung der Regelungen ein Handlungsspielraum verbleibt und nicht lediglich auf gesetzliche Pflichten verwiesen wird. Das entschied das Arbeitsgericht Köln.

Die Beteiligten streiten über die Mitbestimmungspflichtigkeit von Corona-Schutzmaßnahmen.

Formular zur Einhaltung Coronabedingter Schutzmaßnahmen

Die Antragsgegner sind Unternehmen eines US-Logistikkonzern und betreiben am Flughafen Köln/Bonn einen Gemeinschaftsbetrieb der Express-Luftfracht. Der Antragssteller ist der im Gemeinschaftsbetrieb eingerichtete Betriebsrat. Im Juni 2020 händigten die Antragsgegner den Mitarbeiter:innen zwei Schreiben aus. Ein von der zuständigen Berufsgenossenschaft erstellte Unterweisungskarte und ein von der Arbeitgeberseite selbst erstellts Formular, dass u.a. Verhaltensregelungen der Mitarbeiter:innen im Umgang mit dem Corona-Virus umfasste (z.B. Arbeitsmittel vor der Nutzung reinigen, Abstand halten, Mund-Nasenschutz tragen). Die Mitarber:innen sollten durch Unterschrift bestätigen, dass sie die Unterweisung verstanden haben und die Verhaltensregelungen bei der Arbeit einhalten werden.

Der Betriebsrat hält die Aushändigung der Formulare für mitbestimmungspflichtig und begehrt Unterlassung. Er ist der Ansicht, insbesondere aufgrund der von den Mitarbeitern verlangten Erklärung sei die Verwendung der Formulare mitbestimmungspflichtig. Eine arbeitgeberseitige Anweisung zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen sowie zur Einhaltung eines Mindestabstands sei mitbestimmungspflichtig.

Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, die Verwendung der Formulare sei nicht mitbestimmungspflichtig. Die Arbeitgeberseite setze lediglich gesetzliche bzw. behördliche Vorgaben um. Mangels eigener Entscheidungskompetenz der Arbeitgeberin könne insofern auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen. Die Arbeitgeberin ist hierbei insbesondere der Ansicht, die Verpflichtung zur Reinigung des Werkzeugs bei jeder Übergabe an einen anderen Mitarbeiter beruhe auf einer entsprechenden verbindlichen Vorgabe des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), welche die Arbeitgeberin ohne eigenen Entscheidungsspielraum zu beachten hätten.

Verletzung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates

Das Arbeitsgericht Köln gab dem Unterlassungsbegehren hinsichtlich des arbeitgeberseitigen Formulars statt und wies den Antrag im Übrigen zurück. Der Betriebsrat stehe einen Unterlassungsanspruch aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hinsichtlich der Verwendung des Formulars zur Unterweisung in Corona-Schutzmaßnahmen zu, soweit die Arbeitgeberin insofern das streitgegenständliche selbst erstellte Formular verwende.

Der Betriebsrat hat nach ständiger Rechtsprechung einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, gerichtet auf Unterlassung mitbestimmungswidrigen Verhaltens im „Kernbereich“ der sozialen Mitbestimmung nach § 87 BetrVG. Voraussetzung dieses Unterlassungsanspruchs ist neben einem bereits erfolgten Verstoß des Arbeitgebers in der Vergangenheit eine Wiederholungsgefahr für die Zukunft, wobei diese Wiederholungsgefahr durch den bereits erfolgten Pflichtverstoß indiziert werden kann, wenn sich keine abweichenden Gesichtspunkte für eine künftig fehlende Wiederholungsgefahr ergeben.

Die Verwendung des Formulars der Handlungsempfehlung der Berufsgenossenschaft sei nach Ansicht des Gerichts nicht mitbestimmungspflichtig. Der Arbeitgeber habe hier keinerlei eigene Entscheidung getroffen. Es handele sich lediglich um einen Hinweis auf Empfehlungen der Berufsgenossenschaft zur Vermeidung einer Ansteckung mit dem SARS-Cov-2-Virus. Eigene Entscheidungen habe die Arbeitgeberseite hierbei nicht getroffen, insbesondere keinerlei Veränderungen der Empfehlungen der Berufsgenossenschaft vorgenommen.

Handlungsspielraum des Arbeitsgebers

Demgegenüber sei die Verwendung des arbeitgeberseitig selbst erstellten Formulars mitbestimmungspflichtig gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 1) BetrVG. Es handele sich – jedenfalls teilweise – um mitbestimmungspflichtige Maßnahmen, die das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer:innen im Betrieb regele. Insofern setze die Arbeitgeberseite hier auch nicht lediglich vorgegebene gesetzliche oder behördliche Maßnahmen um, sondern trifft – jedenfalls teilweise – auch eigene Entscheidungen. Denn durch dieses Formular ordnen die Arbeitgeber an, dass Arbeitsmittel vor der Benutzung gereinigt werden müssen und insbesondere bei jeder Übernahme von einem anderen Mitarbeiter:innen eine Reinigung durchzuführen sei. Insofern habe die Arbeitgeberseite hier zweifellos einen eigenen Entscheidungsspielraum. Auch die notwendige Wiederholungsgefahr sei gegeben, weil die Arbeitgeber nicht erklärt hätten, das Formular nicht mehr zu nutzen.

ArbG Köln, Beschl. v. 24.11.2020 – 8 BV 122/20