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Keine Lohnfortzahlung im Kündigungsschutzprozess?

Freitag, 18.09.2020

Wer als Arbeitnehmer krank wird oder im Urlaub ist, bekommt trotzdem seinen Lohn fortgezahlt. Doch gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt wurde, der Arbeitnehmer aber während des Kündigungsschutzprozesses weiterbeschäftigt wird?

Keine Vergütung von ÜberstundenDer Fall wurde am 27.05.2020 vom Bundesarbeitsgericht entschieden. Der Kläger war seit November 2010 als Schlosser beschäftigt und erhielt am 31. August 2015 zum 30. September 2015 die Kündigung. Auf die Kündigungsschutzklage stellte das Arbeitsgericht Iserlohn die Unwirksamkeit der Kündigung fest und verurteilte das Unternehmen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigung zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. Der Kündigungsschutz wurde später durch einen Vergleich beendet, nach dem die Kündigung zum 30. September als wirksam galt.

Während des Kündigungsschutzprozesses erkrankte der Kläger

Der Kläger nahm seine Tätigkeit wieder auf, erkrankte aber kurz darauf und war für zehn Tage arbeitsunfähig. Für die Tage, an denen der Kläger arbeitsunfähig war, sowie für gesetzliche Feiertage während der Weiterbeschäftigung, verweigerte die Beklagte die Entgeltfortzahlung. Daraufhin klagte der Arbeitnehmer erneut – diesmal auf Leistung der Entgeltfortzahlung für die Krankheits- und Feiertage.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat sie abgewiesen. Das BAG hat diese Entscheidung nun bestätigt und entschieden, dass der Kläger weder einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) noch auf Lohn an den angefallenen Feiertagen gemäß § 2 EFZG hat.

BAG: Kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung – zumindest bei wirksamer Kündigung

As BAG begründet dies damit, dass der Kläger in dem streitigen Zeitraum kein Arbeitnehmer im Sinne des EFZG gewesen sei. Denn nach dem 30. September habe kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden. Entscheidend sei dafür der Arbeitnehmerbegriff im Sinne des § 611a BGB: Arbeitnehmer ist nur, wer aufgrund eines Vertrages zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Die wenigen Ausnahmen von diesem Grundsatz, in denen ein Arbeitsverhältnis durch Gesetz begründet werde, wie beispielsweise beim Zivildienst oder nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, lagen nicht vor.

Einen Arbeitsvertrag gab es aber gerade nicht: Genau den hatte der Arbeitgeber wirksam zum 30. September gekündigt, wie der Prozess ergab. Deshalb erfolgte die Beschäftigung nach dem 30. September ohne Rechtsgrund. Der Kläger hatte also rechtlich ab dem 1. Oktober keinen Lohn, sondern Wertersatz nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung erhalten. In den Tagen der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und an den Feiertagen hatte der Arbeitgeber allerdings nichts erlangt und muss daher auch nichts herausgeben bzw. Wertersatz leisten.

Hätte sich die Kündigung im Prozess als unwirksam herausgestellt, könnte es anders aussehen. Die Frage hat das BAG aber zumindest in diesem Urteil nicht entschieden.

BAG, Urt. v. 27.05.2020, Az. 5 AZR 247/19