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Flexible Arbeitszeiten beim Abrufarbeitsverhältnis

Mittwoch, 29.11.2023

Arbeitgeber haben in vielen Branchen, in denen sich der genaue Arbeitsanfall schwer vorhersagen lässt, ein Interesse an der möglichst flexiblen Gestaltung der Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten. Eine Option hierfür bietet die Vereinbarung eines sogenannten Abrufarbeitsverhältnisses gemäß § 12 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG). Danach können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat. Ganz grenzenlos gilt diese Flexibilität allerdings nicht. § 12 TzBfG sieht u.a. vor, dass zumindest eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festzulegen ist und dass der Arbeitgeber bestimmte Vorankündigungsfristen für den Abruf der Arbeitsleistung einhalten muss.

Das Bundesarbeitsgericht hatte aktuell einen Fall zu entscheiden, in dem der Arbeitsvertrag keine Regelung zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit enthielt. Die dortige Klägerin war von ihrem Arbeitgeber seit vielen Jahren nach Bedarf in unterschiedlichem zeitlichem Umfang zur Arbeit herangezogen worden. Nachdem der Arbeitgeber sie in der letzten Zeit seltener zur Arbeitsleistung heranzog und dementsprechend weniger Vergütung zahlte, forderte die Arbeitnehmerin mit ihrer Klage eine Differenzvergütung entsprechend des früheren Arbeitsumfang. Das Bundesarbeitsgericht hat, wie zuvor bereits das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angenommen, dass eine wöchentliche Arbeitsleistung von 20 Stunden als vereinbart gilt. Grundlage sei insoweit § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG, der einen solchen Arbeitsumfang als Fiktion vorgibt.

Das Bundesarbeitsgericht wies allerdings darauf hin, dass können die Parteien ausdrücklich oder konkludent auch eine von dieser Fiktion abweichende andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbaren können. Dafür reicht aber das Abrufverhalten des Arbeitgebers in einem bestimmten, lange nach Beginn des Arbeitsverhältnisses liegenden und scheinbar willkürlich gegriffenen Zeitraum nicht aus. Allein dem Abrufverhalten des Arbeitgebers kommt ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert dahingehend, er wolle sich für alle Zukunft an eine von § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG abweichende höhere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit binden, nicht zu. Ebenso wenig rechtfertigt allein die Bereitschaft des Arbeitnehmers, in einem bestimmten Zeitraum mehr als nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG geschuldet zu arbeiten, die Annahme, der Arbeitnehmer wolle sich dauerhaft in einem höheren zeitlichen Umfang als gesetzlich vorgesehen binden.

Das Abrufarbeitsverhältnis bleibt daher auch nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eine attraktive Möglichkeit für Arbeitgeber, Arbeitszeiten flexibel an den tatsächlichen Bedarf anzupassen.

BAG, Urteil vom 18. Oktober 2023 – 5 AZR 22/23 –