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Ärztlicher Hintergrunddienst ist kein Bereitschaftsdienst

Dienstag, 04.05.2021

Sog. Hintergrunddienste von Ärzten sind unabhängig vom Arbeitsaufwand als Rufbereitschaft und nicht als Bereitschaftsdienst zu vergüten. Maßgeblich für die Abgrenzung sei allein der Umfang der vom Arbeitgeber angeordneten Aufenthaltsbeschränkung, so das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Zum Sachverhalt

Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob ärztlicher Hintergrunddienst nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken als zu vergütende Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst einzuordnen ist.

Der als Oberarzt beschäftigte Kläger leistet im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit sog. Hintergrunddienste. Während dieser Zeit ist er verpflichtet, telefonisch erreichbar zu sein. Es kann sowohl zu Einsätzen des Klägers im Klinikum der Beklagten als auch zur rein telefonischen Inanspruchnahme kommen. Hierbei hat der Kläger vor allem Organtransplantationsangebote zu prüfen. Er muss dabei innerhalb von 30 Minuten die mitgeteilten Daten bezüglich Spender, Organ, Patient etc. prüfen. Weitere Vorgaben seitens der Beklagten hinsichtlich des Aufenthaltsortes oder innerhalb welcher Zeit der Kläger seine Tätigkeit im Klinikum aufnehmen muss, gibt es nicht.  Die Beklagte vergütete die Hintergrunddienste als Rufbereitschaft.

Der Kläger meint, die Hintergrunddienste seien aufgrund der mit ihnen verbundenen Beschränkungen sowie der Anzahl und des zeitlichen Umfangs der tatsächlichen Inanspruchnahmen als Bereitschaftsdienst einzuordnen und somit höher zu vergüten. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat dem Kläger für den Zeitraum August 2017 bis Juni 2018 eine Vergütungsdifferenz von knapp 40.000,00 Euro brutto zugesprochen.

Die Revision der Beklagte hatte vor dem BAG Erfolg. Entgegen der Ansicht des LAG handele es sich bei dem vom Kläger geleisteten Hintergrunddienst um Rufbereitschaft und nicht um Bereitschaftsdienst.

Was ist Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft?

Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn der Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten hat, um, sobald es notwendig wird, seine Arbeit aufzunehmen. Bereitschaftszeiten sind vergütungspflichtig.

Bei der Rufbereitschaft können die Beschäftigten ihren Arbeitsort selbst bestimmen und müssen sich für einen eventuellen Arbeitseinsatz bereithalten. Rufbereitschaft gilt nicht als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitengesetzes. Im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst stellen nur tatsächliche Einsätze vergütungspflichtige Arbeitszeiten dar. Grund hierfür ist, dass Arbeitnehmer in der Rufbereitschaft frei in ihrer Wahl des Arbeitsortes sind und die Rufbereitschaft somit weniger intensiv als Bereitschaftsdienst ist.

Abgrenzung Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst

Ob ärztlicher Hintergrunddienst nach § 9 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) zu vergütende Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst ist, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch eine Vorgabe insbesondere hinsichtlich der Zeit zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit zwingt, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten und damit eine faktische Aufenthaltsbeschränkung vorgibt. Maßgeblich ist also der Umfang der vom Arbeitgeber angeordneten Aufenthaltsbeschränkung. Liegt solch eine Aufenthaltsbeschränkung vor, handelt es sich um vergütungspflichtigen Bereitschaftsdienst.

Ärztlicher Hintergrunddienst ist kein Bereitschaftsdienst

Der Arbeitnehmer ist allerdings auch bei der Rufbereitschaft in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei. Er darf sich entsprechend dem Zweck der Rufbereitschaft nur so weit von dem Arbeitsort entfernt aufhalten, dass er die Arbeit dort alsbald aufnehmen kann. Das ist bei dem von der Beklagten angeordneten Hintergrunddienst noch der Fall. Mit der Verpflichtung des Klägers, einen dienstlichen Telefonanruf anzunehmen und damit die Arbeit unverzüglich aufzunehmen, ist keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung verbunden. Zeitvorgaben für die Aufnahme der Arbeit im Übrigen bestehen nicht. Dass unter Umständen nach einem Anruf zeitnah die Arbeit in der Klinik fortgesetzt werden muss, steht im Einklang mit dem Wesen der Rufbereitschaft.

BAG, Urt. v. 25. März 2021 – 6 AZR 264/20 –