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Arbeitgeber muss schwerbehinderten Bewerber zu Vorstellungsgespräch einladen

Mittwoch, 03.06.2020

Ein öffentlicher Arbeitgeber muss einen schwerbehinderten oder einen dieser Person gleichgestellten Bewerber, der fachlich nicht offensichtlich ungeeignet ist, zu einem Vorstellungsgespräch einladen.

Ein überlaufendes E-Mail Postfach ist keine Rechtfertigung für die Nichteinladung eines geeigneten schwerbehinderten Bewerbers

AltersteilzeitDer Kläger bewarb sich Anfang August 2015 per E-Mail auf eine für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln ausgeschriebene Stelle als Quereinsteiger für den Gerichtsvollzieherdienst. Er verwies in seiner Bewerbung ausdrücklich auf den Grad seiner Behinderung von 30 und seiner Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Der Kläger wurde, obwohl er fachlich für die Stelle nicht offensichtlich ungeeignet war, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Der Kläger hat mit seiner Klage vom beklagten Land eine Entschädigung in Höhe von 7.434,39 EUR verlangt. Die Beklagte verweigerte die Zahlung der Entschädigung und machte geltend, die Bewerbung sei aufgrund eines schnell überlaufenden Outlook-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen und den befassten Mitarbeitern nicht in den Geschäftsgang gelangt. Der Kläger sei somit nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden.

Nach dem das Amtsgericht die Klage abgewiesen hatte, gab das Landesarbeitsgericht ihr teilweise statt und sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 3.717,30 EUR zu.

Anspruch auf Entschädigung

Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Der Kläger hat nach Ansicht des Bundesarbeitsgericht (BAG) einen Anspruch auf eine Entschädigung in der zugesprochenen Höhe aus § 15 Abs.2 AGG.

Die Beklagte hätte den Kläger nach § 82 Satz 2 SGB IX a.F. zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch habe die Vermutung begründet, der Kläger sei wegen seiner Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person benachteiligt worden. Das beklagte Land habe diese Vermutung nicht widerlegen können. Es kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bewerbung sei nicht in den Geschäftsgang gelangt. Auch die Höhe der Entschädigung war nach Auffassung des BAG im Ergebnis nicht zu beanstanden.

BAG, Urteil vom 23.01.2020 – 8 AZR 484/18