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Behördlich angeordnete Quarantäne ist kein Kündigungsgrund

Donnerstag, 27.05.2021

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen einer behördlich angeordneten häuslichen Quarantäne aufgrund der Corona-Pandemie ist auch außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetz unwirksam. Das entschied das Arbeitsgericht Köln.

Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung. Der Kläger ist als Dachdecker bei der Beklagten seit Juni 2020 angestellt. Die Beklagte betreibt einen Dachdeckerbetrieb als Kleinbetrieb und beschäftigt nicht mehr als 10 Arbeitnehmer, so dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet.

Im Oktober 2020 erkrankte der Schwager des Klägers an COVID-19. Da der Kläger beim zuständigen Gesundheitsamt als Kontaktperson genannt wurde, ordnete das Gesundheitsamt ihm gegenüber eine häusliche Quarantäne an. Der Kläger informierte den Beklagten über die angeordnete Quarantäne und teilte ihm mit, dass er vorerst nicht mehr zur Arbeit scheinen könne. Der Beklagte zweifelte die behördliche Quarantäne-Anordnung an und verlangte einen schriftlichen Nachweis. Diesen konnte der Kläger nicht erbringen, da er solch einen noch nicht erhalten hatte. Der Beklagte zweifelte die Quarantäne auch in den darauffolgenden Tagen weiter an und forderte den Kläger auf, in dem Betrieb zu erscheinen. Als die schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes über die Anordnung der Quarantäne auch nach mehreren Tagen nicht vorlag und der Kläger sich weigerte, in den Betrieb zu kommen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis.

Kündigung ist sittenwidrig

Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage des Klägers statt und erklärte die Kündigung für sittenwidrig.

Zwar sei das Kündigungsschutzgesetz auf das vorliegende Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden, da der Beklagte einen Kleinbetrieb i.S.d. § 23 KSchG unterhalte. Aus der Nichtanwendung des Kündigungsschutzgesetzes folge jedoch nicht dessen grenzenlose Zulässigkeit von Kündigungen. Auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes seien Arbeitnehmern vor willkürlichen Kündigungen geschützt.  Als Ausfluss der zivilrechtlichen Generalklauseln des § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) sowie § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) habe ein Arbeitgeber auch bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes bei Ausspruch von Kündigungen ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu beachten. Willkürliche Kündigungen und Kündigungen, die auf sachfremde23 n Motiven beruhen, verstoßen gegen das Anstandsgefühl der billig und gerecht Denkenden und seien damit auch außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes unzulässig (zuletzt u.a. BAG, Urteil vom 05.12.2019, 2 AZR 107/19.).

Die Kündigung sei als sittenwidrig und treuwidrig anzusehen. Der Arbeitnehmer habe sich lediglich an die behördliche Quarantäneanordnung gehalten. Der Kläger habe bereits die mündliche Anordnung der häuslichen Quarantäne befolgen müssen und bei Nichtbeachtung habe ihm gedroht, eine Straftat zu begehen. Dass die schriftliche Anordnung der Quarantäne ihn erst mit mehreren Tagen Verzögerung erreichte, war nicht seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen, sondern der pandemiebedingten Überlastungssituation der Gesundheitsämter im Oktober 2020 geschuldet.

Aus dem Anstandsgefühl der billig und gerecht Denkenden, welches im Rahmen der Generalklauseln nach § 138 BGB i.V.m. § 242 BGB zu berücksichtigen sei, ergibt sich, dass es von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden könne, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz allein deswegen verliere, weil eine behördliche Quarantäne-Anordnung aufgrund der Covid19-Pandemie, die dem Arbeitnehmer zunächst nur mündlich übermittelt wurde. Denn insofern handele es sich um einen zeitlichen Ablauf, auf den der Kläger nicht den geringsten Einfluss habe.

Erschwerend komme hinzu, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich aufgefordert habe, entgegen der Quarantäneanweisung im Betrieb zu erscheinen.

Insofern stelle sich die unmittelbar aufgrund einer behördlich angeordneten Covid19-Pandemie ausgesprochene Kündigung außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes bereits aus diesem Grund regelmäßig als rechtswidrig dar und verstoße gegen das Anstandsgefühl der billig und gerecht denkenden und sei von der Rechtsordnung nicht hinzunehmen.

ArbG Köln, Urt. v. 15.04.2021 – 8 Ca 7334/20