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Überstundenzuschläge: Benachteiligung von Teilzeitkräften

Montag, 10.03.2025

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts sorgt derzeit für Aufsehen: eine Überstundenregelung, nach der erst ab Überschreiten der Vollzeitstundenzahl Zuschläge gezahlt werden, kann eine unzulässige Diskriminierung von Teilzeitkräften sein.

 

In dem zugrundeliegenden Fall war für ein Unternehmen im Gesundheitsbereich tarifvertraglich eine Wochenarbeitszeit für Vollzeitkräfte von 38,5 Stunden geregelt. Für jede Überstunde, die über diese regelmäßige Wochenarbeitszeit von Vollzeitkräften hinausgeht, wird laut Tarifvertrag ein Zuschlag von 30% gezahlt.

Geklagt hatte eine in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmerin, die für ihre Überstunden keine Zuschläge, sondern nur die übliche Stundenvergütung erhalten hatte.

Das Gericht hat entschieden, dass diese Regelung eine unzulässige Schlechterstellung von Teilzeitkräften gegenüber Vollzeitkräften nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz ist. Sofern, wie in vielen Branchen üblich, im Vergleich mehr Frauen in Teilzeitarbeit als in Vollzeit arbeiten, ist so eine Überstundenregelung außerdem eine Diskriminierung wegen des Geschlechts nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Eine Ausnahme gilt nur, wenn es für die unterschiedliche Bezahlung von Überstunden für Voll- und Teilzeitkräfte einen sachlichen Grund gibt. Das dürfte aber die absolute Ausnahme sein.

Handlungsbedarf für Arbeitgeber

Arbeitgeber sind jetzt gefordert, eventuell bestehenden Regelungen zu Überstundenzuschlägen zu prüfen und wo nötig anzupassen. Egal ob diese in Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen verankert sind. Sind die Überstundenzuschläge für Teilzeitkräfte benachteiligend oder gar diskriminierend nach dem AGG, so ist eine Neuregelung nötig.

Wie diese aussehen kann, ist vom Einzelfall abhängig und bedarf einer genauen Prüfung. Eine Pauschallösung, die einerseits fair und gesetzeskonform, aber auch bezahlbar ist , gibt es hierfür nicht.

Eine auf jeden Fall diskriminierungsfreie und rechtlich saubere, aber sehr unpopuläre Konsequenz wäre es, einfach gar keine Zuschläge für Mehrarbeit und Überstunden zu zahlen, sondern alle Stunden mit dem exakt gleich zu vergüten, egal ob vertragliche Arbeitszeit, Mehrarbeit oder Überstunde. Dann gibt es zwar keine Besser- und Schlechterbehandlung mehr. Arbeitnehmer und Betriebsräte wären aber kaum begeistert, und in den meisten Fällen ist eine Streichung bereits vereinbarter Zuschlagsregelungen gar nicht möglich.

Die naheliegendste Konsequenz aus dem BAG-Urteil ist es, künftig allen Beschäftigten, unabhängig von Teil- oder Vollzeit, für jede Überstunden, die über die jeweilige individuelle vertragliche Arbeitszeit hinausgeht, denselben Zuschlag zu zahlen. Das dürfte in der Regel gesetzeskonform sein, führt aber zu Mehrkosten und kann im ungünstigsten Fall außerdem dazu führen, dass in Branchen mit hohem Überstundenanfall Vollzeitkräfte ihre vertragliche Arbeitszeit reduzieren, um dann im Gegenzug mehr viele lukrative Überstunden zu leisten. Reguläre Vollzeitarbeit würde vergleichsweise finanziell unattraktiv werden in Branchen, in denen auch für Teilzeitkräfte ein hoher Bedarf an Überstunden besteht.

Ein Mittelweg könnte ein abgestuftes Zuschlagssystem sein. Also z.B. eine proportionale Senkung der Stundenanzahl, die zur Auslösung der Zuschlagspflicht führt. Oder auch eine Anpassung der Zuschlaghöhe in Abhängigkeit von der vertraglichen Wochenstundenzahl. Hier bleibt die Entwicklung abzuwarten

Einstellen müssen die Unternehmen nach diesem Urteil sich auch auf Nachforderungen von Teilzeitbeschäftigten, die in der Vergangenheit gegenüber ihren Kollegen in Vollzeit zu wenig oder keine Zuschläge erhalten haben. Das Nachzahlungsrisiko ist hier aber in der Regel durch tarifliche oder vertragliche Ausschlussfristen begrenzt.

Was Sie als Teilzeitbeschäftigte tun können

Betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Teilzeit, die bislang keine oder weniger Überstundenzuschläge bekommen ihre in Vollzeit beschäftigten Kollegen, haben damit gute Chancen, künftig auch für jede Überstunde genauso bezahlt zu werden wie Vollzeitkräfte.

Das gilt übrigens auch rückwirkend für bereits geleistete Überstunden, allerdings sind dabei vertragliche oder tarifliche Ausschlussfristen zu beachten. Man sollte also nicht allzu lange warten, Zuschläge aus der Vergangenheit nachzufordern, ansonsten könnten sie verfallen.

Konkrete Schritte für Betriebsräte

Betriebsräte sollten sich jetzt unbedingt die bestehenden arbeitsvertraglichen, tariflichen oder in Betriebsvereinbarungen geregelten Überstundenvergütungen genau anzusehen. Ist eine Ungleichbehandlung zwischen Voll- und Teilzeitkräften erkennbar, sollte der Betriebsrat aktiv werden und eine rechtskonforme Neuregelung und gleiche Zuschläge für Teilzeitkräfte einfordern und ggf. verhandeln.

Auch wenn der Arbeitgeber davon zunächst nicht begeistert sein mag, hilft so eine Neuregelung dem Unternehmen aber, sich gesetzeskonform zu verhalten, Regressansprüche wegen Diskriminierung gegen sich zu vermeiden und sich als attraktiver, familienfreundlicher Arbeitgeber zu positionieren.

 

Egal ob betroffene Teilzeitbeschäftigte, Arbeitgeber oder Betriebsrat: falls Sie Fragen zu diesem komplexen Thema haben und Unsicherheiten bestehen, melden sie sich gerne bei uns!

BAG, Urteil vom 5. Dezember 2024 – 8 AZR 370/20