Frauen im Arbeitsrecht – immer mehr und immer besser!
Eine persönliche Einschätzung von Lorenz Mayr
Das Arbeitsrecht war schon immer moderner, flexibler und dynamischer als die übrigen Rechtsgebiete. Ein Grund hierfür ist die sich ständig verändernde Arbeitswelt, die eine schnelle Anpassung des Rechts und vor allem der beteiligten Personen erfordert – Richter:innen, Fachanwält:innen und die für Personal zuständigen Vorstände, Geschäftsführer:innen und Personen, die im Personalwesen tätig sind.
Doch eine der spannendsten Entwicklungen findet nicht in den Paragrafen, sondern in der Berufslandschaft selbst statt: Frauen werden im Arbeitsrecht immer sichtbarer – als Juristinnen, Fachanwältinnen, Richterinnen und Personalverantwortliche. Ein Rückblick auf meine mehr als 25-jährige Erfahrung als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht für Arbeitgeber und Unternehmen macht mir das deutlich. In meinen ersten Kanzleien Ende der 90er, Anfang der 2000er, waren keine Rechtsanwältinnen tätig – sowohl hier als auch in den USA. In der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht haben im Jahr 2000 13 Frauen veröffentlicht. Männliche Verfasser gab es über 100. Ich kann mich an keine weibliche Mandantin erinnern. Assistentinnen der Geschäftsführung, Buchhalterinnen – ja. Geschäftsführerinnen, Personalleiterinnen und Vorständinnen? Fehlanzeige. (Ok – ich hatte mit Frau Carl auch eine Assistentin – damals noch Sekretärin genannt.)
Das hat sich mit den Jahren ganz wesentlich geändert – in meiner Wahrnehmung ist das Arbeitsrecht heute stark weiblich geprägt, was vielleicht auch daran liegt, dass bei uns in der Kanzlei die Frauenquote bei mehr als 80 % liegt. Aber ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass mein Eindruck nicht falsch ist.
Jura: Frauen auf dem Vormarsch
Das erste Staatsexamen haben
- 2022: 59,1 %
- 2021: 57,6 %
- 2020: 57,7 %
erfolgreich abgeschlossen.
Das zweite Staatsexamen haben
- 2022: 57,6 % Frauen
- 2021: 58,3 %
- 2020: 56,6 %
erfolgreich abgeschlossen. Aktuellere Zahlen liegen mir nicht vor. Aber ich denke, der Frauenanteil ist weiter gestiegen. Bei uns bewerben sich mehr Frauen als Männer – sowohl als Rechtsanwältinnen oder Fachanwältinnen als auch als Referendarinnen. Besonders interessant: Die Juristinnen kommen zu uns meistens mit mindestens einem Prädikatsexamen. Davon können unsere männlichen Bewerber nur träumen. Dafür treten sie oft mit mehr Selbstbewusstsein auf als die kommenden „Rainmaker“ in unserer Kanzlei. Wir stellen nur Frauen ein!
Aber auch im Berufsleben zeigt sich diese Entwicklung. Die Alten sind Männer. Die Jungen Frauen.
In Deutschland gibt es derzeit 11.163 Fachanwält:innen für Arbeitsrecht. Genaue Zahlen zum Frauenanteil bei den Fachanwält:innen für Arbeitsrecht fehlen, aber wenn man sich die Gesamtstatistik der Fachanwält:innen ansieht, ergibt sich ein interessantes Bild:
- Frauenanteil unter allen Fachanwält:innen: 33,02 %
Im Arbeitsrecht wird der Anteil meines Erachtens höher sein. Aber es zeigt: Frauen holen auf, aber die Spezialisierung ist nach wie vor (alten) Männern vorbehalten.
Richterinnen an Arbeitsgerichten: Eine wachsende Präsenz
In der Arbeitsgerichtsbarkeit sieht die Lage anders aus: Hier sind Frauen seit Jahren auf dem Vormarsch.
- Arbeitsgerichte insgesamt: 43 % Frauenanteil
- Bundesarbeitsgericht: 45 % der Richter:innen sind Frauen
Auch diese Zahlen sind nicht aktuell, sondern spiegeln eine Entwicklung wider. Ich habe das Gefühl, dass wir immer häufiger vor Richterinnen verhandeln und dass vor allem die nachkommenden Stellen überwiegend von Frauen besetzt sind. Auch das zeigt sich in unserer Kanzleientwicklung wieder. Wir haben über die Jahre sicherlich zehn Fachanwält:innen ausgebildet. Die männlichen Fachanwälte für Arbeitsrecht sind alle in der Anwaltschaft gelandet. Drei der bei uns tätigen Juristinnen sind Richter:innen geworden, und eine ist Justiziarin.
In der Arbeitsgerichtsbarkeit macht die Gleichstellung spürbar Fortschritte macht. Und wer sich durch die Urteile und die Fachzeitschriften liest, erkennt: Frauen haben die Rechtsprechung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht längst mitgeprägt.
Frauen in Personalabteilungen: Verantwortung wächst mit der Position
In Personalabteilungen waren Frauen schon früher oft stark vertreten. Das war in meinem Rückblick die erste bemerkenswerte Entwicklung. Ich würde sagen, dass Mitte der 2000er die Mehrzahl der Personalreferent:innen, mit denen ich zu tun hatte, Frauen waren. Die Personalleiter waren männlich.
Das hat sich heute spürbar verändert. Der Anteil meiner weiblichen Ansprechpartner:innen auch in Führungsebenen ist überdurchschnittlich. Doch wenn es um die Besetzung von Personalvorständen und Geschäftsführer:innen geht, sieht es anders aus. Hier dominieren nach wie vor Männer.
Aber auch hier scheint mir die Entwicklung eher frauengetrieben. Der hohe Männeranteil ist meines Erachtens auf traditionelle Strukturen und Netzwerke zurückzuführen, die sich über Jahrzehnte gebildet haben. Doch die Richtung stimmt: Immer mehr Unternehmen setzen auf Diversität und erkennen den Mehrwert weiblicher Führungskräfte.
Fazit: Ohne Frauen geht es nicht – und das macht es besser!
Ich zeichne hier ein sehr positives Bild, das stark von meinen persönlichen Erfahrungen geprägt ist. Ich möchte nicht verschweigen, dass Frauen auch in meinem Rechtsgebiet nach wie vor mit schwierigen Aufstiegschancen kämpfen – auf jeden Fall auf dem Weg zur Partnerschaft in einer Kanzlei.
Die hohe zeitliche Flexibilität, die die Tätigkeit als Rechtsanwält:in erfordert, ist gerade für junge Mütter, die am Anfang ihrer Karriere stehen, eine große Herausforderung. Aber ohne Frauen geht es nicht. Deshalb müssen auch wir Kanzleien uns überlegen, wie wir Beruf und Familie so vereinen können, dass wir nicht nur männliche Partner haben.
PS: meine Erfahrungen sind richtig; die Zahlen vielleicht nicht – KI ist schuld.