Ständige Erreichbarkeit – Kann der Arbeitgeber die private Handynummer herausverlangen?
Arbeitnehmer können unter besonderen Umständen verpflichtet sein, auch außerhalb der eigentlich vorgesehenen Arbeitszeiten kurzfristig einzuspringen, z.B. bei einem unvorhersehbaren Gesamtausfall des EDV-Systems oder bei plötzlichen Erkrankungen in der Belegschaft. Die private Handynummer müssen Arbeitnehmer allerdings nicht herausgeben, um für Notfälle – außerhalb einer Rufbereitschaft – durch den Arbeitgeber jederzeit erreichbar zu sein.
Dies hat das Thüringer Landesarbeitsgericht am 16. Mai 2018 entschieden.
Zum Hintergrund: Datenschutzgesetze und informationelle Selbstbestimmung
In den sechzehn Ländern sowie auf Bundesebene gelten Datenschutzgesetze, durch die sogenannte „personenbezogenen Daten“ geschützt werden. Personenbezogene Daten sind z.B. der Name, die Anschrift, die E-Mail-Adresse oder auch die Telefon- und Handynummer einer Person. Die Datenschutzgesetze reglementieren insbesondere die Erhebung, Verarbeitung, und Übermittlung von solchen Daten.
Zudem garantiert das Grundgesetz jedem einzelnen das Recht, im Grundsatz darüber bestimmen zu dürfen, ob man personenbezogene Daten preisgeben möchte und was mit diesen geschehen soll. Dieses Recht darf gegen den Willen des Betroffenen nur eingeschränkt werden, wenn dies aufgrund eines überwiegenden Interesses erforderlich ist (z.B. Datenerhebungen für statistische Zwecke; Verfolgung oder Verhinderung von Straftaten). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung spielt auch im Arbeitsverhältnis eine Rolle und erfordert unter Umständen eine Abwägung zwischen dem Schutzinteresse des Arbeitnehmers und den Arbeitgeberinteressen.
Zum Sachverhalt: Private Handynummer nicht herausgegeben
Im vorliegenden Fall hatte ein kommunaler Arbeitgeber das bisherige System der Rufbereitschaft abgeändert und einen „Notdienst“ eingerichtet. Der Arbeitgeber verlangte von den Arbeitnehmern die private Handynummer heraus, um die Arbeitnehmer außerhalb des Bereitschaftsdienstes im Notfall über die Rettungsleitstelle erreichen zu können. Die Arbeitnehmer gaben zwar ihre Festnetznummern, nicht jedoch ihre privaten Handynummern preis. Darauf folgte eine Abmahnung durch den Arbeitgeber, gegen welche sich die betroffenen Arbeitnehmer gerichtlich wehrten.
Zur Entscheidung: Keine Pflicht zur Herausgabe
Das Thüringer Landesarbeitsgericht entschied nun, dass die Arbeitnehmer nicht verpflichtet seien, ihre privaten Handynummern herauszugeben. Eine Pflicht zur Herausgabe würde das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer erheblich einschränken. Die privaten Handynummern könne der Arbeitgeber aufgrund der Regelungen des Thüringer Landesdatenschutzgesetzes nur bei einem überwiegenden Interesse herausverlangen.
Ein solches konnte das Gericht jedoch nicht feststellen. Der Arbeitgeber habe die Erforderlichkeit der Erreichbarkeit durch eine Änderung des Systems der Rufbereitschaft selbst herbeigeführt. Es bestünden dementsprechend andere Möglichkeiten für den Arbeitgeber, für entsprechende Notfälle vorzusorgen. Für Arbeitnehmer bedeute die ständige Erreichbarkeit zudem, dass sie gar nicht mehr zur Ruhe kommen könnten. Auf den Grad der Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeitnehmer tatsächlich über ihre private Handynummer kontaktiert würden, komme es dabei nicht an.
Fazit
Arbeitnehmer müssen ihre private Handynummer grundsätzlich nicht an ihren Arbeitgeber herausgeben, um für Notfälle erreichbar zu sein. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber durch andere Maßnahmen für Notfälle vorsorgen kann.
Thüringer Landesarbeitsgericht, Urteil v 16.05.2018, Az.: 6 Sa 442/17 und 6 Sa 444/17