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Können Arbeitgeber die Nutzung der Corona-Warn-App der Bundesregierung anordnen?

Donnerstag, 18.06.2020

Zur Fürsorgepflicht eines Arbeitgebers gehört es, Arbeitnehmer vor einer Ansteckung durch andere erkrankte Beschäftigte oder Geschäftskontakte zu schützen. Der Arbeitgeber ist deshalb verpflichtet, zumutbare und hinreichende Schutzvorkehrungen zu treffen.

Doch ist die neue Corona-Warn-App der Bundesregierung ein probates Mittel, um als Arbeitgeber der Fürsorgepflicht gerecht zu werden?

Wer als Arbeitgeber die Nutzung der Corona-App verbindlich anordnet, greift damit in das Privatleben und die persönliche Freiheit der Arbeitnehmer ein. Ob eine solche Anordnung zulässig ist, hängt in jedem Einzelfall davon ab, welche Interessen überwiegen – der Gesundheitsschutz anderer Arbeitnehmer, zu dem der Arbeitgeber verpflichtet ist, oder die persönliche Freiheit des einzelnen Arbeitnehmers.

Wie schwer der Eingriff für den Arbeitnehmer ist, hängt von dem Inhalt der jeweiligen Anordnung, aber auch von der Funktionsweise der App ab. Die Corona-Warn-App der Bundesregierung läuft über Bluetooth. Die Smartphones tauschen untereinander Zufalls-Codes aus, der Standort der Nutzer ist zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar. Insofern ist der Eingriff bei dieser App relativ gering. Allerdings gibt man als Nutzer eine freiwillige Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a DSG-VO ab – dies ist die einzige Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten bei der App. Sobald beispielsweise Tests hochgeladen werden, fallen personenbezogene Daten auch an und werden verarbeitet. Wird die Nutzung verbindlich angeordnet, werden Arbeitnehmer verpflichtet, diese Einwilligung zu erteilen, und insofern in ihrer Entscheidungsfreiheit und damit ihrem Persönlichkeitsrecht beschränkt.

Für das dienstlich genutzte Smartphone gelten andere Maßstäbe als für das private Smartphone

Die Anordnung, eine Corona-App auf dem Diensthandy während der Arbeitszeit zu nutzen, dürfte im Normalfall gerechtfertigt sein, da diese Anordnung sich auf den betrieblichen Bereich bezieht. Die Schutzinteressen des Unternehmens stehen im Vordergrund, in den privaten Bereich der Arbeitnehmer wird nicht oder nur minimal eingegriffen. Dies gilt jedenfalls für Arbeitnehmergruppen, die in größerem Umfang Kundenkontakt haben oder Tätigkeiten ausführen, bei denen die Hygiene- und Anstandsregeln nicht strikt eingehalten werden können und eine Ansteckungsgefahr daher relativ hoch ist. Das Problem hierbei ist, dass die App darauf angelegt ist, von möglichst vielen Menschen möglichst umfassend genutzt zu werden. Eine Nutzung nur während der Arbeitszeiten ist daher weit weniger effektiv als eine Nutzung auch nach Dienstschluss. Dasselbe Problem stellt sich bei der Benutzung von Bluetooth „Tracern“: Diese können wie ein Ausweis umgehängt und beim Verlassen des Arbeitsplatzes abgenommen werden. Außerhalb der Arbeitszeiten werden aber keine Ansteckungsrisiken erfasst.

Bei der Anordnung, die App auf dem Diensthandy auch in der Freizeit laufen zu lassen, wird es schon schwieriger. Hier fehlt der betriebliche Bezug. Die Freizeit bzw. das „Privatleben“ der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst. Allerdings muss auch hier eine Interessenabwägung stattfinden: der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer kann ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn der Gesundheitsschutz gegenüber Dritten, zu dem der Arbeitgeber verpflichtet ist, überwiegt. Bei Arbeitnehmern, von denen in ihrem Beruf ein sehr stark erhöhtes Ansteckungsrisiko ausgeht (beispielsweise Altenpflegern), würde diese Abwägung anders ausfallen als bei einem Arbeitnehmer, der allein und ohne Kundenkontakt in einem Büro arbeitet. Allerdings ergibt sich hier das Problem, dass es Arbeitgebern kaum möglich sein wird, die Nutzung der App außerhalb der Arbeitszeiten zu kontrollieren. Die Weisung ginge dann ins Leere – die Entscheidung, die App zu nutzen, bliebe faktisch beim Arbeitnehmer.

Die Installation und Nutzung der App auf dem privaten Smartphone dürfte kaum zulässig sein, da hier die privaten Interessen, das Persönlichkeitsrecht und das Eigentum des Arbeitnehmers an dem Smartphone vorrangig zu berücksichtigen sind.

Bei der Anordnung der App-Nutzung ist außerdem zu beachten, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat. Dieses ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, weil das Verhalten der Arbeitnehmer betroffen ist.

Welche Alternativen gibt es zur verbindlichen Anordnung der App-Nutzung?

Statt die Nutzung der App einseitig anzuordnen, kann eine Vereinbarung mit den Mitarbeitern getroffen werden, dass und in welchem Umfang die App genutzt werden soll. Da die Mitarbeiter sich hier mit der Nutzung einverstanden erklären, kann sich die Vereinbarung auch auf die Nutzung im privaten Bereich erstrecken. Außerdem kann jederzeit ein dringender Appell ausgesprochen werden, sich die App herunterzuladen. Letztendlich hängt die Effektivität des Gesundheitsschutzes ohnehin davon ab, wie viele Menschen bereits sind, die App umfassend zu nutzen.