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Homeoffice Arbeitsplatz anstatt einer Änderungskündigung

Mittwoch, 31.03.2021

Vor Ausspruch einer betriebsbedingten Änderungskündigung kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, Arbeitnehmer:innen als milderes Mittel eine Tätigkeit im Home-Office anzubieten. So das Arbeitsgericht Berlin.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Änderungskündigung.

Änderungskündigung wegen Betriebsschließung

Die Klägerin ist seit 1992 in der Berliner Niederlassung der mit Hauptsitz in Wuppertal ansässigen Beklagten beschäftigt. Die Beklagte beabsichtigte die Niederlassung in Berlin vollständig stillzulegen und kündigte im Mai 2020 das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Gleichzeitig bot sie ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Arbeitsort in Wuppertal an.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Sie habe die Möglichkeit, die Arbeit von Zuhause aus zu erbringen. Eine solche Weiterbeschäftigung sei ein milderes Mittel gegenüber der Änderungskündigung. Gerade angesichts der langen Beschäftigungsdauer von 27,5 Jahren sei solch eine Weiterbeschäftigung angezeigt. Ferner sei die Weigerung der Beklagten, sie im Home Office zu beschäftigen umso unverständlicher als der Ehemann der Klägerin, gleichfalls bei der Beklagten beschäftigt, von Zuhause aus arbeite.

Die Beklagte hält die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse für gerechtfertigt. Auf Grund der Schließung der Berliner Niederlassung sei eine Tätigkeit in Berlin nicht mehr möglich, sondern der Klägerin eine Tätigkeit in Wuppertal anzubieten. Dort sei ein entsprechendes Zentrum aufgebaut worden. Die Klägerin könne ihre vertraglich geschuldete Leistung nicht von Zuhause aus erbringen, da für Mitarbeiter, die nicht im Außendienst tätig sind, keine Möglichkeit zur Tätigkeit von Zuhause aus eröffnet sei.

Homeoffice Arbeitsplatz als milderes Mittel vor Ausspruch einer betriebsbedingten Änderungskündigung

Das Arbeitsgericht gab der Klägerin recht und erklärte die Kündigung für unwirksam. Zwar liege eine unternehmerische Entscheidung vor, die zum Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit am Standort in Berlin führe. Die Beklagte müsse sich aber bei der Änderung der Arbeitsbedingungen auf das Maß beschränken, dass für die Durchsetzung der unternehmerischen Entscheidung unabdingbar sei. Vorliegend habe die Änderung der Arbeitsbedingungen auch darin bestehen können, dass die Klägerin ihre Tätigkeit von zu Hause erbringt. Zwar bestehe kein grundsätzlicher Anspruch eines Arbeitnehmers auf einen solchen häuslichen Arbeitsplatz. Maßgeblich seien immer sämtliche Umstände des Einzelfalls. Vorliegend sei zu beachten, dass die Beklagte nicht dargelegt habe, warum eine physische Präsenz der Klägerin am Standort Wuppertal zur Erfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben notwendig sei. Ferner gebe es bereits eine Kollektive Vereinbarung über das Arbeiten im Homeoffice. Auch wenn diese keinen Anspruch begründet, zeige sie doch, dass das häusliche Arbeiten durch elektronische Vermittlung im Hause der Beklagten durchaus üblich sei. Angesichts der nunmehr deutlich stärker erfolgten Verbreitung elektronischen Arbeitens von zu Hause aus durch die Corona-Krise erscheine das Verhalten der Beklagten als aus der Zeit gefallen und letztlich willkürlich. Vielmehr habe die Klägerin substantiiert dargelegt, dass ihre Tätigkeit insoweit digitalisiert sei, so dass sie diese auch von zu Hause aus erbringen könne. Die hierfür notwendige technische Infrastruktur ist im Hause der Klägerin ganz offensichtlich auch vorhanden, da ihr Ehemann bereits mit dieser arbeite. Die Beklagte habe der Arbeitnehmerin als „milderes Mittel“ eine Tätigkeit im Homeoffice anbieten müssen.

Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

ArbG Berlin, Urt. 10.08.2020 – 19 Ca 13189/19