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Betriebsvereinbarung kann individuelle Lohnabsprache nicht ersetzen

Donnerstag, 07.06.2018

Arbeitnehmer und Arbeitgeber nehmen im Arbeitsvertrag oftmals Bezug auf einen Tarifvertrag. Dann soll das jeweilige Entgelt des Tarifvertrages gezahlt werden. Von dieser Vereinbarung kann sich der Arbeitgeber nicht lösen, indem er eine abweichende Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat abschließt. Zumindest gilt dies, wenn im Arbeitsvertrag per individueller Abrede auf den Tarifvertrag verwiesen wurde, nicht per AGB.

So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich entschieden.

Zum Hintergrund: Die Betriebsvereinbarung

Eine Betriebsvereinbarung wird zwischen dem Arbeitgeber und dem von den Arbeitnehmern gewählten Betriebsrat geschlossen. Die enthaltenen Regelungen gelten automatisch für die Arbeitsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Nur für den Arbeitnehmer günstigere Individualabreden werden grundsätzlich nicht verdrängt (Günstigkeitsprinzip). Durch Betriebsvereinbarung kann ein breites Spektrum an Gegenständen geregelt werden, an denen der Betriebsrat ein gesetzliches Mitspracherecht hat. So können auch Absprachen bezüglich der Vergütung getroffen werden, falls dem kein Tarifvertrag entgegensteht. Die Wirkung einer Betriebsvereinbarung und auch deren Einfluss auf die individuellen Arbeitsverhältnisse kann durch Kündigung beendet werden.

Zum Sachverhalt: Streit über den anwendbaren Tarifvertrag

BetriebsvereinbarungDer Arbeitnehmer wurde 1991 eingestellt als Masseur.

Im Jahr 1992 wurde im Rahmen einer Zusatzvereinbarung eine Vergütung nach dem damaligen Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vereinbart.

Ein Jahr später schloss die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, die eine abweichende Vergütung vorsah. Diese Regelung sollte automatisch Bestandteil der Arbeitsverträge werden. Außerdem wurde die Abmachung in einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers festgehalten, den der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberin unterschrieben.

Die Arbeitgeberin, die zwischenzeitlich wegen eines Verkaufs des Unternehmen wechselte, kündigte Ende 2001 die Betriebsvereinbarung. Neue Tarifvereinbarungen auf Bundes- und Länderebene fanden Anwendung im Betrieb. Der Arbeitnehmer verlangt nun ein Gehalt nach Maßgabe des Tarifvertrags, auf den die ursprüngliche Zusatzvereinbarung aus dem Jahr 1992 verwies.

Die Arbeitgeberin bestreitet eine gültige vertragliche Bezugnahme auf die genannten Tarifverträge. Die Vorinstanzen wiesen die Klage des Arbeitnehmers ab. Seine Revision vor dem BAG war jedoch erfolgreich.

Zur Entscheidung: Keine AGB sondern individuelle Abrede

Das BAG führte aus, der Arbeitnehmer sei nach dem Tarif zu vergüten, auf den die Zusatzvereinbarung von 1992 verweise. Die Vereinbarung im Arbeitsvertrag sei nicht durch die (später gekündigte) Betriebsvereinbarung von 1993 verdrängt worden.

Bei der Zusatzvereinbarung handele es sich nämlich nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB), sondern um eine individuell ausgehandelte Regelung der Hauptleistungspflicht. Eine solche könne aber nicht durch kollektive Regelungen verändert oder verdrängt werden, wenn dies einen Nachteil des Arbeitnehmers bedeuten würde.

Fazit

Arbeitnehmer mit individuellen Tariflohnabreden brauchen eine Veränderung durch Betriebsvereinbarungen nicht zu fürchten. Gerade Unternehmen, die kommunale Betriebe übernehmen, in denen Tariflohnzusagen bestanden, müssen sich daher häufig an öffentliche Tarifverträge halten.

Zu beachten ist allerdings eine Besonderheit des Falls: Die ursprüngliche Zusatzvereinbarung wurde individuell ausgehandelt. Häufig sind solche Klauseln jedoch als sog. AGB zu bewerten, die für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen vorgesehen sind. Ob auch diese durch Betriebsvereinbarungen nicht abgeändert werden können, ist noch nicht abschließend geklärt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 11.04.2018, Az. 4 AZR 119/17