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Keine Nachgewährung von Urlaubstagen bei Corona – Quarantäne

Dienstag, 10.08.2021

Erfolgt gegenüber einer Arbeitnehmerin, während sie sich im Erholungsurlaub befindet, eine behördliche Quarantäne Anordnung aufgrund einer Infektion mit SARS-CoV-2, ist die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, die Urlaubstage gem. § 9 BUrlG zurückgewähren, wenn keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den erkrankten Zeitraum vorliegt. Eine behördliche Isolierungsanordnung ist nach dem Sinn und Zweck zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nicht ausreichend, da keine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmerin erfolgt. So entschied kürzlich das Arbeitsgericht Bonn.

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Urlaubstage nachzugewähren.

Quarantäne während Erholungsurlaubes

Die Klägerin beantrage für den Zeitraum vom 30.11.2020 bis zum 12.12.2020 Erholungsurlaub, welcher ihr antragsgemäß erteilt wurde. Während ihres Urlaubes verfügte die zuständige Behörde die häusliche Isolierung der Klägerin für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis 07.12.2020. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin an dem Coronavirus erkrankt sei. Hierdurch bestehe ein sehr hohes Infektionsrisiko. Eine Isolierung der Klägerin in ihrem häuslichen Umfeld diene dem Schutz der Allgemeinheit und der Menschen in der direkten Umgebung vor einer Infektion.

Krankheitssymptome wies die Klägerin nicht auf. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung legte die Klägerin nicht vor. Sie forderte die Beklagte auf, ihr für den betroffenen Zeitraum ihre Urlaubstage zurückzugewähren, was die Beklagte ablehnte.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie auf der Grundlage von § 9 BUrlG einen Anspruch auf die Gewährung von weiteren 5 Urlaubstagen für das Kalenderjahr 2020 gegen die Beklagte habe. Für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 07.12.2020 sei sie an SARS-CoV-2 erkrankt, wodurch sie gehindert gewesen sei, ihre Arbeitsleistung für die Beklagte zu erbringen. Für die Anwendbarkeit von § 9 BUrlG sei es zudem nicht erforderlich, dass körperliche Leistungseinschränkungen vorlägen, welche eine Arbeitsleistung verhindern. Auch die fehlende Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung i.S.d. § 9 BUrlG hindere den Anspruch der Klägerin nicht. Es solle hiermit einem Missbrauch vorgebeugt werden, was nur bei Vorlage eines geeigneten Nachweises möglich sei. Diese Funktion sei durch die amtliche Quarantäne Anordnung vom 05.12.2020 erfüllt.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Nachgewährung von 5 Urlaubstagen auf der Grundlage von § 9 BUrlG habe. Es habe keine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorgelegen und eine solche sei auch nicht durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen. Die Klägerin sei somit nicht arbeitsunfähig gewesen.

Die Voraussetzungen des § 9 BUrlG lägen nicht vor. Die häusliche Isolation begründe keine Arbeitsunfähigkeit, sondern diene dem Infektionsschutz. Eine bloße Erkrankung der Klägerin sei nicht entscheidend, sondern es komme auf die Kausalität der Erkrankung für die Arbeitsunfähigkeit an. Eine bloße Infektion mit SARS-CoV-2 führe nicht generell zu einer Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 3 EFZG.

Weiterhin sei die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses der Arbeitsunfähigkeit erforderlich. Dieses müsse durch einen Arzt ausgestellt sein.

Das Gericht gab der Beklagten Recht und lehnte einen Anspruch auf Nachgewährung von 5 Urlaubstagen ab.

Keine Nachgewährung von Urlaubstagen ohne ärztliches Attest

Die Voraussetzungen des § 9 BUrlG lagen nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Es könne zwar unterstellt werden, dass die Klägerin an SARS-CoV-2 erkrankt sei. Es fehle jedoch an einem ärztlichen Zeugnis, durch welchen die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit gegenüber der Beklagten nachgewiesen habe.

Gemäß § 9 BUrlG werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet, wenn ein Arbeitnehmer erkrankt. Es besteht mithin nur dann ein Anspruch auf erneute Gewährung von Urlaubstagen, wenn der Arbeitnehmer durch ärztliches Zeugnis seine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen hat. Ohne Attest besteht kein Anspruch auf Nachgewährung der betroffenen Urlaubstage. Hintergrund dieser Regelung ist nicht nur die Vorbeugung gegen Missbrauch zulasten des Arbeitgebers. Vielmehr obliegt auch die Beurteilung, ob eine Erkrankung im Einzelfall aufgrund der Ausgestaltung des individuellen Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers zu einer Arbeitsunfähigkeit führt, der ärztlichen Beurteilung. Es muss gerade eine dem Arbeitsunfähigkeitsbegriff entsprechende ärztliche Bescheinigung ausgestellt worden sein

Beurteilung der Folgen einer Erkrankung obliegt allein dem Arzt

Dieser Anforderung an die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses genügen die von der Klägerin vorgelegten Quarantäne Anordnung nicht. Aus dieser gehe zwar hervor, dass die Klägerin an dem Coronavirus (SARS-CoV-2) erkrankt sei. Eine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin ist in der Ordnungsverfügung hingegen nicht erfolgt und obläge auch nicht der Behörde. Die Beurteilung der Folgen einer Erkrankung auf den konkreten Arbeitsplatz obliegt vielmehr einem Arzt.

Auch keine analoge Anwendung des § 9 BurlG

Ein Anspruch der Klägerin auf nach Nachgewährung der Urlaubstage kann sich auch nicht aufgrund einer analogen Anwendung von § 9 BurlG ergeben. Es liege weder eine planwidrige Regelungslücke noch ein mit einer Arbeitsunfähigkeit vergleichbarer Sachverhalt vor, so das Gericht. Eine Erkrankung mit dem Coronavirus bei einem symptomlosen Verlauf führe nicht zwingend und unmittelbar zu einer Arbeitsunfähigkeit.

ArbG Bonn, Urt. v. 07.07.2021 –  2 Ca 504/21