Anschuldigungen am Arbeitsplatz – was ist zu tun?
Oft sehen sich Arbeitnehmer:innen Verdächtigungen oder Anschuldigungen durch Arbeitgebende oder Kolleg:innen ausgesetzt. Die Bandbreite möglicher Anschuldigungen ist groß: Vorwürfe des Diebstahls von Firmeneigentum und Arbeitszeitbetrug oder das Streuen von Gerüchten über Kolleginnen und Kollegen. Gleichzeitig haben Arbeitgebende oft auch einen berechtigten Verdacht, dass Arbeitnehmer:innen z.B. Diebstahl am Arbeitsplatz begehen.

Beiden Seiten stehen Möglichkeiten zur Verfügung, wie sie mit solchen Verdachtsfällen umgehen können. Dieser Beitrag soll einen Überblick hierüber geben.
Arbeitnehmer:innen sind in diesen Situationen oft unterlegen und wissen nicht, wie sie sich gegen ihren Arbeitgebenden zur Wehr setzen können. Dabei stellt ihnen das Arbeitsrecht Möglichkeiten zur Verfügung, dies zu tun.
Sind die Anschuldigungen falsch, sollten Arbeitnehmer:innen zunächst sorgfältig dokumentieren, was vorgefallen ist und somit Beweise sichern. Diese Dokumentation kann z.B. E-Mail-Korrespondenzen, Nachrichten und andere schriftliche Belege umfassen aber auch die schriftliche Bestätigung von Gesprächen oder Situationen durch vertrauenswürdige Kolleg:innen. Dabei ist darauf zu achten, dass Arbeitgebenden kein weiterer Grund für eine Kündigung geliefert wird – vertrauliche Dokumente sollten z.B. nicht einfach heruntergeladen werden oder an private E-Mailadressen weitergeleitet werden. Im Zweifel sollte sehr zeitnah eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt zur Beratung aufgesucht werden, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen und keine Fehler zu machen.
Arbeitnehmer:innen können auch schriftlich Stellung zu den Anschuldigungen beziehen. Sie können z.B. eine Abmahnung sowie eine Gegendarstellung aufsetzen. Auch dies sollte unbedingt vom rechtlichen Beistand begleitet werden.
Neben diesen außergerichtlichen Möglichkeiten haben Arbeitnehmer:innen auch die Option, sich gerichtlich gegen etwaige Anschuldigungen am Arbeitsplatz zu wehren. Sie können auf Unterlassung der Verbreitung der Anschuldigungen klagen sowie Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld einfordern.
Kommt es infolge der Anschuldigungen zu einer Kündigung, ist zu beachten, dass ggf. eine Kündigungsschutzklage erhoben werden kann. Diese muss allerdings innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erfolgen.
Doch auch Arbeitgebenden stehen rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, sofern sie einen Verdacht gegen einen Arbeitnehmer:innen hegen, z.B. wegen Diebstahls von Firmeneigentum, oder sich dieser tatsächlich etwas zu Schulden kommen lassen hat.
In vielen Fällen sind Arbeitgebende dann zur außerordentlichen fristlosen (personenbedingten) Kündigung berechtigt. Diese kommt z.B. in Betracht bei:
- Androhung von Sabotage (LAG Hamburg, 6 Sa 37/07),
- Arbeitszeitbetrug (BAG 2 AZR 381/10, LAG Hamm, 18 Sa 446/05),
- Bedrohung und Tätlichkeit gegenüber Kollegen und Vorgesetzten (ArbG Düsseldorf, 7 Ca 415/15; LAG Rheinland-Pfalz. 6 Sa 196/15)
- Betrug durch Arbeitszeitbetrug oder das Erschleichen von Leistungen durch Vortäuschen einer Krankheit (LAG Rheinland-Pfalz, 10 Sa 270/12) oder
- Diebstahl (BAG 2 AZR 153/11; LAG Rheinland-Pfalz, 9 Sa 662/07).
Auch Beleidigungen können eine personenbezogene Kündigung rechtfertigen. Hier ist jedoch je nach Schwere der Beleidigung zunächst eine Abmahnung zu erteilen.
Bei der Kündigung ist jedoch zu beachten, dass dort im Zusammenhang mit Anschuldigungen strenge Fristen gelten. Die Rechtsprechung ist diesbezüglich jedoch nicht eindeutig. Arbeitgebende sind daher am besten beraten, wenn sie schnellstmöglich rechtlichen Beistand aufsuchen. Die Kündigung stellt die sog. ultima ratio dar. Arbeitgebende können zunächst auch von der Möglichkeit der Abmahnung als milderes Mittel Gebrauch machen. Es sollte daher abgewogen werden, wie schwer das Vergehen wiegt und ob es tatsächlich bewiesen ist oder lediglich ein Verdacht besteht.
Bei einem dringenden Verdacht kommt allerdings auch eine (ordentliche oder außerordentliche) Kündigung in Betracht. Ist die Beweislage für eine Straftat oder entsprechende Pflichtverletzung nicht eindeutig und basiert die Kündigung allein auf einem schwerwiegenden Verdacht der Arbeitgebenden, spricht man von einer sogenannten Verdachtskündigung. Zwingende Voraussetzung für die Verdachtskündigung ist jedoch eine vorherige Anhörung der Arbeitnehmer:innen.
Arbeitgebende können beim Vorliegen einer Straftat auch eine Strafanzeige stellen, z.B. wegen Beleidigung (§ 185 StGB) oder Diebstahl (§ 242 StGB).
Arbeitgebende müssen sich also nicht alles gefallen lassen. Gleichzeitig muss jedoch nicht immer zum Äußersten gegriffen werden. Es kann ratsam sein, das Gespräch mit den Arbeitnehmer:innen zu suchen, um die Hintergründe aufzuklären, die z.B. zu einem Diebstahl geführt haben.
Arbeitnehmer:innen und Arbeitgebende haben somit eine Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten im Falle von berechtigten oder auch unberechtigten Anschuldigungen. Beide Parteien sollten jedoch zeitnah rechtlichen Beistand aufsuchen.


