Folgen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit
Der vermeintlich sichere Schutz durch ein ärztliches Attest ist nicht mehr unantastbar. Seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2021 hat sich die Rechtsprechung deutlich verändert: Arbeitgeber dürfen den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzweifeln. Dies gilt dann, wenn konkrete Umstände Zweifel an der tatsächlichen Erkrankung begründen.

Wichtig für Beschäftigte:
Wer seine Arbeitsunfähigkeit vortäuscht, riskiert nicht nur den Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sondern auch eine fristlose außerordentliche Kündigung. In bestimmten Fällen kann sogar der Tatbestand des (versuchten) Betrugs erfüllt sein.
Was Arbeitgeber tun können
Verdachtsfälle auf eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit sollten immer mit besonderer Vorsicht behandelt werden. Arbeitgeber sind gut beraten, sorgfältig, strukturiert und rechtssicher vorzugehen. Der Arbeitgeber trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer zum Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigenden Vertragspflichtverletzung. Es gilt daher:
- Indizien sorgfältig dokumentieren
Auffällige Krankmeldungen, z.B. unmittelbar nach einer Kündigung oder vor Urlaub und Feiertagen, sollten genau festgehalten werden. Auch Aussagen von Kolleginnen und Kollegen oder auffällige Social-Media-Aktivitäten können Hinweise liefern. - Gespräch suchen
Ein klärendes, sachliches Gespräch mit dem Mitarbeitenden kann oft schon zur Aufklärung beitragen. Dabei sollte die Kommunikation respektvoll, aber deutlich sein. - Betriebsarzt oder Medizinischen Dienst einbeziehen
Bei begründetem Zweifel kann der Arbeitgeber eine Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit anregen, etwa durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (§ 275 SGB V). - Datenschutz beachten
Ermittlungen, etwa über soziale Netzwerke oder durch externe Dienstleister, sind nur erlaubt, wenn ein konkreter Verdacht besteht. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen muss immer gewahrt bleiben.
Bevor Abmahnungen oder gar Kündigungen ausgesprochen werden, sollte geprüft werden, ob die vorliegenden Indizien rechtlich tragfähig sind. Auch sollte überlegt werden, welche genaue Form der Kündigung (Tat- oder Verdachtskündigung) erfolgt. Eine rechtliche Beratung empfiehlt sich.


