Nach § 17 Abs.1 KSchG muss der Arbeitgeber bei der zuständigen Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige erstatten, bevor er innerhalb von 30 Kalendertagen in Betrieben mit

– 21 bis 59 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,

– 60 bis 499 Arbeitnehmern 10 % oder mehr als 26 Arbeitnehmer

– mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 und mehr Arbeitnehmer

entlässt.

Betrieb ist jede Filiale, Niederlassung, Betriebsstätte o.ä. mit einem Mindestmaß an organisatorischer Leitungsstruktur. Es kommt nicht auf den Betriebsbegriff des § 23 KSchG oder darauf an, ob verschiedene Arbeitnehmervertretungen für die Durchführung des Konsultationsverfahren zuständig sind.

Die Anzeigepflicht ist von der Mitarbeiteranzahl des Betriebes – also nicht des Unternehmens – abhängig (sog. Schwellenwert). Für die Ermittlung der Schwellenwerte sind alle Arbeitnehmer des Betriebes mit einzurechnen, die in Voll- oder Teilzeit oder geringfügig beschäftigt sind. Arbeitnehmer in diesem Sinne sind somit Arbeiter, Angestellte, Auszubildende, Berufspraktikanten, Volontäre, Umschüler und mithelfende Familienangehörige. Ausgenommen hiervon sind aber Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und Betriebsleiter.

Die Entlassung nach § 17 Kündigungsschutzgesetz ist nicht nur die betriebsbedingte Kündigung. Unter Entlassung fallen

• alle Kündigungen, also auch personenbedingte oder verhaltensbedingte Kündigungen
• alle Änderungskündigungen
• alle Aufhebungsverträge, also die auf Veranlassung des Arbeitgebers geschlossen werden
• unter Umständen auch Eigenkündigungen, also Kündigungen, die der Arbeitnehmer ausgesprochen hat – wenn dies auf Veranlassung des Arbeitgebers geschehen ist

Insofern sind die 6 Entlassungen schnell erreicht und es ist genau zu prüfen, in welchem Zeitraum diese Entlassungen fallen.

Wenn es in dem Betrieb des Arbeitgebers einen Betriebsrat gibt, ist die Beteiligung des Betriebsrates zwingend notwendig. Gemäß § 17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über die anzeigepflichtige Massenentlassung beraten (sog. Konsultationsverfahren).

Die Stellungnahme des Betriebsrates muss der Massenentlassungsanzeige beigefügt werden. Ist eine Einigung nicht möglich, muss ersatzweise glaubhaft gemacht werden, dass das Konsultationsverfahren rechtzeitig und vollständig eingeleitet wurde und der Stand der Beratungen dargestellt werden (§17 Abs. 3 Satz 3 KSchG).

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat vor Ausspruch der Entlassungsmaßnahmen schriftlich über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Mitarbeiter sowie über die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer im Betrieb, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und schließlich über die Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmern sowie über die Berechnung der Abfindungen, unterrichten. Der Arbeitgeber muss mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich verhandeln. Kommt dieser nicht zustande, muss der Arbeitgeber auf Wunsch des Betriebsrates einen Sozialplan aufstellen, also eine Vereinbarung über die Milderung der für die Arbeitnehmer eintretenden Nachteile treffen.

In einem Betrieb ohne Betriebsrat bestehen diese Pflichten natürlich nicht. Zu beachten ist hier jedoch, dass bei bevorstehenden Massenentlassungen in kürzester Zeit durch drei Mitarbeiter ein Betriebsrat ins Leben gerufen werden kann, der dann ebenfalls zu beteiligen ist.

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat so früh wie möglich über die bevorstehenden Entlassungen unterrichten, in der Regel also sobald strategische oder betriebswirtschaftliche Entscheidungen getroffen wurden, die den Arbeitgeber dazu zwingen, Massenentlassungen ins Auge zu fassen oder zu planen. Keinesfalls sollte die Unterrichtung weniger als zwei Wochen vor der Erstattung der Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit erfolgen.

Außerdem erhält der Betriebsrat nach § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG eine Abschrift der Massenentlassungsanzeige und kann dann gegenüber der Arbeitsagentur noch weitere Stellungnahmen abgeben.

Von der Anzeigepflicht bei Massenentlassungen sind Kleinbetriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten ausgenommen. Ferner gilt die Anzeigepflicht nicht für Saison- und Kampagne-Betriebe, bei denen die Entlassungen durch die Eigenart der Betriebe bedingt sind, wie das Ende der Saison oder das Auslaufen der Kampagne

Die Massenentlassung muss vor Ausspruch der ersten Kündigung bei der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt werden. Die Massenentlassungsanzeige muss folgende Mindestangaben enthalten:

• Firmenname / Name des Arbeitgebers
• Art und Sitz des Betriebes
• Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer
• Zahl und Berufsgruppen der in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer
• Gründe für geplanten Entlassungen, hier müssen die Motive und Beweggründe konkret und tatsachenbasiert dargestellt werden, jedoch nicht so detailliert wie im Kündigungsschutzverfahren
• Zeitraum, in dem die Kündigungen ausgesprochen / Aufhebungs- bzw. Änderungsverträge angeboten werden sollen,
• Kriterien für die soziale Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer – hier muss auch angegeben werden, ob und inwieweit die Sozialauswahl modifiziert worden ist, etwa durch die Herausnahme von Leistungsträgern oder die Verwendung eines Punktesystems

Für die Massenentlassungsanzeige kann der Vordruck „KSchG 1“ der Bundesagentur für Arbeit verwendet werden.

Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss der Arbeitgeber dessen Stellungnahme zu den geplanten Entlassungen einholen und diese der Entlassungsanzeige beifügen.

Des Weiteren sollten zu den zu entlassenden Arbeitnehmern zusätzliche anonymisierte Angaben gemacht werden, wofür der Vordruck „KSchG 2“ der Bundesagentur für Arbeit verwendet werden kann. Diese Angaben dienen in erster Linie der weiteren Arbeitsvermittlung.

In dieser Frage liegt ein wichtiger Fallstrick. Denn der Schwellenwert für die Massenentlassungsanzeige kann innerhalb von jedem beliebigen Zeitraum von 30 Tagen erreicht werden. Dabei muss die Massenentlassungsanzeige grds. vor Ausspruch der Kündigung oder Abschluss des Aufhebungsvertrages erstattet werden. In diesem Zeitpunkt sollte das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat bestenfalls schon abgeschlossen sein.

Das bedeutet, dass in jedem einzelnen Fall geprüft werden muss, ob innerhalb von 30 Tagen vor oder nach einer beabsichtigten Kündigung eine die Anzeigepflicht begründende Anzahl von Entlassungen erreicht worden ist.

Wenn beispielsweise am 3. April in einem Betrieb mit 22 Mitarbeitern drei entlassen werden, und am 28. April weitere drei, werden damit alle sechs Entlassungen anzeigepflichtig. Die Anzeige für die ersten drei Entlassungen kann nicht nachgeholt werden. Die drei ersten Kündigungen werden daher wegen der fehlenden Anzeige unwirksam und müssen erneut ausgesprochen werden.

Relevant ist hier stets der Zugang der Kündigungserklärung, nicht der Ablauf der Kündigungsfrist.

Auch wenn es sich bei der Massenentlassungsanzeige nur um eine Formalie handelt, ist die Einhaltung der Form essenziell. Eine unwirksame Massenentlassungsanzeige führt zur Unwirksamkeit jeder einzelnen Kündigung im Rahmen dieser Massenentlassung.

Die Folgen einer unwirksamen Massenentlassungsanzeige erlebte gerade die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin. Das Bundesarbeitsgericht erklärte die Kündigungen der angestellten Piloten für unwirksam, da die Massenentlassungsanzeige bei der örtlich unzuständigen Agentur für Arbeit eingereicht worden war.

Die Anzeige muss also mit allergrößter Sorgfalt gestellt werden

Massenentlassungen bedürfen einer genauen Planung und idealen Umsetzung. Hierzu gehört zum Einen die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen, zum Anderen die Erstellung einer Strategie und eines zeitlichen Ablaufplans. Ein solches Vorgehen ist für das Unternehmen existenziell wichtig, da Fehler bei der Massenentlassung oft zu Wiederholungen der Maßnahme oder zu höheren Abfindungsansprüchen führen kann. Zudem ist eine gute Planung auch für die Arbeitnehmer wichtig, da diese bei einer existenzbedrohenden Maßnahme, wie dem Verlust des Arbeitsplatzes, eine transparente und gut organisierte Umsetzung erwarten dürfen.

MAYR Kanzlei für Arbeitsrecht stellt diesen Themenbeitrag als Orientierungshilfe zur Verfügung. Für eine individuelle Beratung sollte grundsätzlich Rat bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht eingeholt werden. Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass wir deshalb keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit dieses Beitrages übernehmen können.