Das Einigungsstellenverfahren

Die Einigungsstelle ist eine innerbetriebliche Einrichtung zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu Fragen der Mitbestimmung. Sie kann in bestimmten gesetzlich vorgeschriebenen Fällen von jeder Betriebspartei erzwungen werden, in allen anderen Fällen freiwillig eingerichtet werden.

Die Einigungsstelle bietet erfahrungsgemäß eine gute Plattform, um im Verhandlungswege Prozesse schnell zu einem Ergebnis zu führen und Probleme zu lösen.

Die Einigungsstelle besteht aus Vertretern der Arbeitgeberseite, Vertretern des Betriebsrates und dem Einigungsstellenvorsitzenden. Gesetzlich geregelt ist die Einigungsstelle in den §§ 76 ff. BetrVG.

Üblicherweise leitet die Einigungsstelle ein Arbeitsrichter. Inzwischen gibt es allerdings auch private Anbieter – zumeist Mediatoren oder ehemalige Richter, die sich auf Einigungsstellen spezialisiert haben. Der Vorsitzende leitet die Einigungsstelle und hat im Falle einer Nichteinigung die entscheidende Stimme. Insofern ist es wichtig, wer als Einigungsstellenvorsitzender überhaupt zur Verfügung steht und aus welchem „Lager“ der Vorsitzende kommt. Diese Information ist schwieriger zu erhalten als man meinen möchte. Listen von Einigungsstellenvorsitzenden sind offiziell nicht erhältlich. Allerdings hilft oft ein Anruf bei dem Arbeitgeberverband, der Gewerkschaft oder einem Fachanwalt für Arbeitsrecht. So führen wir eine interne Liste von Einigungsstellenvorsitzenden für verschiedene Branchen und Regionen.

Über die Person des Einigungsstellenvorsitzenden müssen sich Arbeitgeber und Betriebsrat einigen.

Achtung: vor lauter Euphorie, den passenden Vorsitzenden gefunden zu haben, sollte dieser nicht ohne vorherige Rücksprache vorgeschlagen werden! Als erstes muss der potentielle Vorsitzende gefragt werden, ob er die Sitzungsleitung übernehmen kann und will, bevor er als Vorsitzender benannt wird.

Wenn sich Betriebsrat und Arbeitgeber über den Vorsitzenden nicht einigen können, wird ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren notwendig. Dieses kann von beiden Seiten eingeleitet werden.

Schnelligkeit zahlt sich hier aus. Denn wer selbst als erstes einen Vorsitzenden vorgeschlagen hat, zwingt die Gegenseite dazu, den Vorschlag entweder zu akzeptieren oder mit stichhaltiger Begründung abzulehnen. Das heißt, sie muss vor Gericht vortragen, dass der in Aussicht genommene Kandidat – oftmals ebenfalls ein Richter desselben Arbeitsgerichts – für den Vorsitz persönlich nicht geeignet ist. Das ist nicht nur schwierig zu begründen, sondern auch noch für die ablehnende Seite unangenehm.

Über die Zahl der Beisitzer, die gesetzlich nicht festgelegt und somit frei verhandelbar ist, herrscht häufig Streit. Arbeitgeber wollen aus Kostengründen häufig nur einen, maximal zwei Beisitzer je Seite vereinbaren. Für Betriebsräte besteht dagegen oft das Interesse, neben dem Betriebsrat-Vorsitzenden und häufig einem weiteren, in der streitigen Sachfrage besonders bewanderten Betriebsrat-Mitglied den eigenen Anwalt und, je nach Thema (z.B. bei Arbeitssicherheit oder EDV), einen internen oder externen Sachverständigen dabeizuhaben.

Um auch bei einer geringen Beisitzerzahl möglichst viel Sachverstand einzubringen, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Externe wie interne Sachverständige können auf Vorschlag jeder Seite zur Klärung konkreter Sachfragen von der Einigungsstelle hinzugezogen werden, ohne selbst Beisitzer zu sein. Besteht zwischen beiden Seiten keine Einigkeit über die Erforderlichkeit einer solchen Hinzuziehung, entscheidet die Einigungsstelle hierüber.

Rechtsanwälte hingegen können nicht nur als Beisitzer, sondern auch als beauftragte Verfahrensbevollmächtigte des Arbeitgebers oder, nach entsprechender Beschlussfassung, für den Betriebsrat an der Einigungsstelle teilnehmen.

Beisitzer können jederzeit, auch ohne Zustimmung der anderen Seite oder des Einigungsstellenvorsitzenden, ausgetauscht werden. Gerade bei Einigungsstellen mit voraussichtlich mehreren Sitzungsterminen, bei denen die Gefahr einer Verzögerung wegen Terminschwierigkeiten des einen oder anderen Beisitzers droht, kann die frühzeitige Benennung von Ersatzmitgliedern sinnvoll sein.

Die Einigungsstelle findet in der Regel im Betrieb statt. Geeignete Räume (auch Ausweichräume für getrennte Zwischenberatungen) sowie Verpflegung bei längeren Sitzungen stellt der Arbeitgeber. Die Einigungsstelle ist nicht öffentlich, und die in der Einigungsstelle besprochenen Gegenstände sind streng vertraulich. Allerdings können Mitglieder des Betriebsrates und auch Arbeitgebervertreter an der Sitzung teilnehmen, selbst wenn sie nicht als Beisitzer bestellt sind.

Die Parteien verhandeln zunächst unter der Leitung des Vorsitzenden ausgiebig über die Gegenstände der Einigungsstelle und der Vorsitzende versucht eine einvernehmliche Lösung, die meistens eine Betriebsvereinbarung bedeutet. Die Beisitzer der Betriebsratsseite können so eine Vereinbarung oft nur unter dem Vorbehalt der Zustimmung des gesamten Gremiums annehmen, so dass diese in der Einigungsstelle oft nur vorbehaltlich vereinbart und im Anschluss vom Betriebsrat genehmigt wird.

Scheitert eine freiwillige Einigung, kommt es zur Beschlussfassung der Einigungsstelle durch Abstimmung. Die erste Abstimmungsrunde erfolgt unter Stimmenthaltung des Vorsitzenden und endet meist mit einem Patt. In der darauffolgenden Abstimmung stimmt der Vorsitzende mit und entscheidet damit den Ausgang des Verfahrens.

Über die Einigungsstelle fertigt der Vorsitzende ein Protokoll, das er unterzeichnet und den Parteien zuleitet.

Im Normalfall wird unter Leitung des Vorsitzenden eine einvernehmliche Einigung gefunden, mit der beide Seiten leben können. Nur als letztes Mittel entscheidet die Einigungsstelle durch Spruch, wobei dann meistens die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gibt.

Fühlt sich eine Betriebspartei durch einen solchen Spruch einseitig benachteiligt, kann sie diesen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren überprüfen lassen. Erfolgreich kann dies aber allenfalls dann sein, wenn der Einigungsstellenspruch rechtsfehlerhaft zustande gekommen ist oder wenn die Einigungsstelle mit dem Spruch in erheblicher Weise ihr Ermessen überschritten hat.

Von einem gerichtlichen Vorgehen gegen einen Einigungsstellenspruch sollte nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden, da dies gegenüber der anderen Betriebspartei eine negative Signalwirkung haben kann: wer einen Einigungsstellenspruch angreift, ist womöglich gar nicht an einer echten Einigung interessiert. Auch für künftige Einigungsstellen kann ein solches Vorgehen beim Vorsitzenden dazu führen, dass er diese Betriebspartei als nicht kompromissbereit ansehen wird.

Bestätigt das Arbeitsgericht dann auch noch den Einigungsstellenspruch, droht der erfolglos gerichtlich vorgehenden Betriebspartei dann noch der Ruf des schlechten Verlierers.

Der Arbeitgeber trägt die Kosten der Einigungsstelle. Diese Kosten sollten im Interesse beider Seiten im Voraus für alle Seiten erkennbar und klar geregelt sein, allein schon um Unsicherheiten hierüber, Polemik der Arbeitgeberseite und schlechtes Gewissen auf Betriebsratsseite wegen vermeintlichen Kostendrucks zu vermeiden.

Sofern der Einigungsstellenvorsitzende nicht ohnehin von sich aus seine Honorarforderung mitteilt, zu denen er die Einigungsstelle leitet, sollten Sie ihn schon beim ersten Kontakt hierzu befragen.

Einigungsstellenvorsitzende haben häufig feste Stunden- bzw. Tagessätze, die sie Ihnen gern mitteilen. Aus unserer Praxis sind Tagessätze von EUR 3.000,00 netto für den Vorsitzenden üblich. Externe Beisitzer, also auch Rechtsanwälte, erhalten in der Regel 7/10 der Vergütung des Vorsitzenden. Für betriebsangehörige Beisitzer, also auch Betriebsratsmitglieder, ist die Einigungsstelle lediglich bezahlte Arbeitszeit ohne zusätzliche Honorare.

Die Wahl des Vorsitzenden sollte aber nicht entscheidend von den Honorarsätzen abhängig gemacht werden. Ein „teurer“ Vorsitzender, der beide Seiten in der Einigungsstelle zu einer schnellen und guten Einigung führt, ist im Ergebnis günstiger als ein Vorsitzender mit niedrigeren Honorarsätzen, der die Verhandlung schlecht vorbereitet, einseitig oder ohne das nötige Fingerspitzengefühl führt.

Die Einigungsstelle kann auch für Arbeitgeber eine im Ergebnis vergleichsweise kostengünstige und vor allem schnelle Möglichkeit sein, über schwierige und streitige Fragen der Mitbestimmung sinnvolle Regelungen zu erzielen. Gerade bei verhärteten Fronten kann ein guter Einigungsstellenvorsitzender als neutraler Vermittler oft ungeahnte Lösungen vermitteln, für die die Betriebsparteien sonst nicht offen wären. Nicht zu unterschätzen sind schließlich Akzeptanz und Signalwirkung einer Einigungsstelle: anders als bei gerichtlichen Beschlussverfahren gibt es keine Verlierer, sondern fast immer ein gemeinsames Ergebnis, das die Interessen beider Seiten berücksichtigt und als gemeinsamer Erfolg vermittelt werden kann. Das Risiko, über dieselbe Problematik bald wieder streiten zu müssen, ist nach einer Einigungsstelle geringer als bei gerichtlichen Entscheidungen oder bei nur einseitig innerbetrieblich gut verhandelten Betriebsvereinbarungen.

MAYR Kanzlei für Arbeitsrecht stellt diesen Themenbeitrag als Orientierungshilfe zur Verfügung. Für eine individuelle Beratung sollte grundsätzlich Rat bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht eingeholt werden. Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass wir deshalb keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit dieses Beitrages übernehmen können.