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Wissenswertes zum Mutterschutz

Dienstag, 02.08.2011

Der Fall der schwangeren Vorstandschefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Sigrid Nikutta, rückt das Mutterschutzrecht aktuell vermehrt ins Licht der Öffentlichkeit. Frau Nikutta verfügt als eine der wenigen Frauen über eine Führungsposition im Management und beabsichtigt auf ihren Mutterschutz zu verzichten. Sie möchte das Unternehmen nach der Geburt ihres Kindes ohne Unterbrechung weiterführen. In diesem Zusammenhang stellt sich nicht nur die Frage, ob ein solches Verhalten möglicherweise eine Nachlässigkeit gegenüber dem eigenen Leben und dem des ungeborenen Kindes bedeutet, vielmehr wirft ein derartiger Sachverhalt auch rechtliche Fragestellungen auf. Letzteres ist Anlass für uns, die wesentlichen Regelungsbereiche des Mutterschutzrechts näher zu beleuchten.

Das Mutterschutzrecht gibt Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt sind, einen Schutz vor Gefahren für Leben und Gesundheit für die Dauer der Schwangerschaft sowie die ersten Wochen nach der Entbindung und schützt die Schwangere bzw. die Mutter vor Kündigungen.

Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden, wenn der Arbeitsort in Deutschland liegt.

In Leiharbeitsverhältnissen muss der Verleiher die Vergütungspflichten, Beschäftigungs- und Kündigungsverbote beachten, der Entleiher die Beschäftigungsverbote.

Das MuSchG ist nicht auf arbeitnehmerähnliche Personen, selbständige Gewerbetreibende, Geschäftsführerinnen und Vorstände, vertretungsberechtigte Gesellschafterinnen von Personengesellschaften anwendbar.

§ 5 Abs. 1 S. 1 MuSchG sieht vor, dass Schwangere, sobald ihnen ihr Zustand bekannt ist, dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag der Entbindung mitteilen sollen. Die Mitteilung kann mündlich erfolgen. Allerdings genügt die Unterrichtung eines nur fachlich vorgesetzten Arbeitnehmers (z.B. eines Vorarbeiters) nicht.

Die Mitteilungspflicht ist keine Pflicht im Rechtssinne, sondern stellt lediglich eine nachdrückliche Empfehlung an die Arbeitnehmerin im Interesse ihrer und der Gesundheit des Kindes dar (BAG v. 13. Juni 1996, NZA 1996, 1154). Indessen ist die Schwangere aus arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflicht dann zur unverzüglichen Mitteilung verpflichtet, wenn berechtigte Arbeitgeberinteressen betroffen sind. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn Beschäftigungsverbote eingreifen und die Arbeitsvertretung der Schwangeren eine erhebliche Einarbeitungszeit erfordert oder wenn das Arbeitsverhältnis nach Eintritt der Schwangerschaft nicht mehr sinnvoll (Sportlehrerin, Artistin usw.) fortgeführt werden kann. In diesen Fällen kommt zu Lasten der Schwangeren bei verspäteter oder völliger Unterlassung der Mitteilung gemäß § 280 BGB eine Schadensersatzpflicht in Betracht.

Gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen schwangere Arbeitnehmerinnen vor der Entbindung nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter und Kind bei Weiterbeschäftigung gefährdet werden.

In den letzten 6 Wochen vor der Entbindung ist eine Beschäftigung unzulässig, es sei denn, dass sich die Frau ausdrücklich zur Arbeitsleistung bereit erklärt.

Nach der Entbindung dürfen Mütter gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG grundsätzlich 8 Wochen nicht beschäftigt werden. Bei Früh- und Mehrlingsgeburten verlängert sich die Schutzfrist auf 12 Wochen. Darüber hinaus verlängert sich bei Frühgeburten und sonstigen vorzeitigen Entbindungen die Schutzfrist nach der Geburt zusätzlich um den Zeitraum der Schutzfrist, der nicht in Anspruch genommen werden konnte. Damit wird Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen garantiert. Das Beschäftigungsverbot nach der Entbindung ist im Gegensatz zu dem vor der Entbindung beidseitig zwingend, d.h. ohne Ausnahme. Eine Einwilligung der Arbeitnehmerin bringt das Verbot daher nicht zu Fall (BAG vom 14. Oktober 1954, AP 1 zu § 13 MuSchG).

Werdende und stillende Mütter dürfen nicht mit schweren körperlichen Arbeiten und nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie schädlichen Immissionen (Staub, Gase, Dämpfe, Hitze, Kälte, Nässe, Erschütterungen, Lärm usw.) ausgesetzt sind oder die in § 4 Abs. 2 MuSchG aufgezählt sind.

Im Übrigen dürfen sie nicht mit Mehrarbeit, nicht in der Nacht zwischen 20.00 und 6.00 Uhr und nicht an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden (§ 8 Abs. 1 MuSchG).

Nach § 17 S. 1 MuSchG gelten für den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und dessen Dauer die Ausfallzeiten wegen mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote als Beschäftigungszeiten.

Gemäß § 9 MuSchG genießen Schwangere einen besonderen Kündigungsschutz. Sie sollen vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes und den damit verbundenen Belastungen geschützt werden. Unter diesen Kündigungsschutz fallen alle Arbeitnehmerinnen einschließlich der zu ihrer Ausbildung beschäftigten Frauen (LAG Berlin vom 01. Juli 1985, BB 1986, 62); er ist unverzichtbar.

Der Sonderkündigungsschutz besteht während der gesamten Schwangerschaft und in den ersten 4 Monaten nach der Entbindung. Erfolgt innerhalb der 4 Monate nach der Entbindung eine erneute Schwangerschaft, besteht der Kündigungsschutz ununterbrochen bis 4 Monate nach der folgenden Entbindung fort.

Voraussetzung des Sonderkündigungsschutzes ist grundsätzlich, dass dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt ist, § 9 Abs. 1 S. 1 MuSchG.

Hatte der Arbeitgeber von der Schwangerschaft hingegen keine Kenntnis, etwa weil die Arbeitnehmerin keine Mitteilung nach § 5 MuSchG gemacht hat, bleibt der Kündigungsschutz dennoch bestehen, wenn die Frau innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung von der Schwangerschaft oder Entbindung Mitteilung macht. Auch wenn die Schwangere diese Zweiwochenfrist überschreitet, ist dies nach § 9 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. MuSchG gleichwohl unschädlich, wenn das Versäumnis auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird.

Gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG kann die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle in besonderen Fällen ausnahmsweise auf Antrag des Arbeitgebers die Kündigung für zulässig erklären.

Nach § 11 MuSchG besteht ein Anspruch auf Mutterschutzlohn, wenn die Arbeitnehmerin unter den Geltungsbereich des Gesetzes fällt, kein Mutterschaftsgeld nach der Vorschriften der Reichsversicherungsordnung bezieht und wegen eines Beschäftigungsverbots oder wegen des Mehr, Nacht- oder Sonntagsarbeitsverbots ganz oder teilweise nicht arbeiten kann.

(zum Ganzen u.a.: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 13. Auflage, München 2009)