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Urlaub und Corona

Dienstag, 17.05.2022

Die zunehmende Lockerung pandemiebedingter Beschränkungen lässt bei vielen Arbeitnehmer:innen auch die Urlaubsfreude wieder steigen. Was gilt aber arbeitsrechtlich, wenn während des Urlaubs der Corona-Virus doch zuschlägt?

Hier sind vor allem zwei Fälle zu unterscheiden:

1.

Bei einer tatsächlichen Corona-Erkrankung mit einer ärztlichen bescheinigten Arbeitsunfähigkeit findet kein Verbrauch des Urlaubsanspruches statt. Dies ergibt sich, wie bei allen anderen Erkrankungen, aus § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Während einer Erkrankung kann der mit der Urlaubsgewährung verfolgte Erholungszweck nicht erreicht werden. Der Gesetzgeber sieht daher für Krankheitstage auch keine Anrechnung auf den Jahresurlaub vor.

Gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz hat der/die Arbeitnehmer:in in diesem Fall Anspruch auf Lohnfortzahlung für bis zu sechs Wochen. Sollte die Erkrankung länger andauern, besteht nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes in der Regel ein Krankengeldanspruch über die jeweilige Krankenversicherung, siehe etwa die §§ 44 ff. SGB V für die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung.

2.

Anders liegt der Fall bei einer bloßen Quarantäne ohne Krankheitssymptome. Unabhängig davon, ob die Quarantäne aufgrund eines eigenen positiven Corona-Tests oder als sogenannte Kontaktperson behördlich angeordnet wurde, hält die wohl überwiegende Rechtsprechung trotz der Quarantäne einen Urlaubsverbrauch für möglich.

So entschied das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, dass die Quarantäne allein dem Erholungszweck des Urlaubs nicht entgegenstehe. § 9 BUrlG sehe nur bei durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit einen Erhalt des Urlaubsanspruches vor. Eine Erstreckung dieser gesetzlichen Regelung auf Quaranänefälle sei rechtlich nicht geboten.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2021 – 7 Sa 857/21

Im gleichen Sinne entschied das Landesarbeitsgericht Köln, dass eine Quarantäneanordnung einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht gleichstehe. Die individuelle Nutzungsmöglichkeit des Urlaubs sei im Übrigen kein Kriterium für den Anspruch auf Nachgewährung von Urlaubstagen. Auch wenn daher die Freizeit aufgrund der Quarantäne nur eingeschränkt nutzbar sei, wird der Urlaubsanspruch hierdurch verbraucht. Ob ein tatsächlicher Erholungswert eintritt, fällt in den Risikosphäre des/der Arbeitnehmer:in.

LAG Köln, Urteil vom 13.12.2021 – 2 Sa 488/21

Noch ist dieses Ergebnis aber mit Vorsicht zu genießen. Weder das höchste deutsche Arbeitsgericht, das Bundesarbeitsgericht in Erfurt, noch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg haben über diese Frage schon abschließend entschieden. Dass die Frage des Urlaubsverbrauchs durchaus umstritten ist, zeigt sich an einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm, das eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG auf Quarantänefälle für möglich hielt.

LAG Hamm, Urteil vom 27.01.2022 – 5 Sa 1030/21


Insofern bleibt eine endgültige Klärung der rechtlichen Bewertung dieser Frage noch abzuwarten.