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Kündigungsschutz bei Schwangerschaft

Mittwoch, 10.06.2020

Das Kündigungsschutzverbot gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin gemäß § 17 Abs.1 Satz 1 Nr.1 MuSchG gilt auch für eine Kündigung vor der vereinbarten Aufnahme der Tätigkeit, so entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Kündigung bei Schwangerschaft

ElternzeitDie Klägerin schloss mit dem Beklagten einen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Rechtsanwaltsfachangestellte. Das Arbeitsverhältnis sollte am 1.Februar 2018 beginnen. Der Arbeitsvertrag regelte unter anderem, dass die Klägerin bereits in der Zeit vom 27. bis zum 29. Dezember 2017 für eine tägliche Arbeitszeit von mindestens fünf Stunden auf Abruf zur Verfügung stehen müsse.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2018 informierte die Klägerin den Beklagten darüber, dass bei ihr eine Schwangerschaft festgestellt und aufgrund einer chronischen Vorerkrankung mit sofortiger Wirkung ein Beschäftigungsverbot attestiert worden sei. Der Beklagte kündigte daraufhin das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Kündigung sei aufgrund des Kündigungsverbots gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 MuSchG unwirksam. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die eingelegte Berufung des Beklagten hat das Landesgericht zurückgewiesen. Auch die Revision blieb ohne Erfolg.

Unwirksame Kündigung wegen Verstoß gegen § 17 Abs.1 Satz 1 MuSchG

Das BAG bestätigte die Auffassung der beiden vorinstanzlichen Gerichte und erklärte die Kündigung wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 MuSchG i.V.m. § 134 BGB für unwirksam. Gemäß § 17 Abs.1 Satz 1 Nr.1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während ihrer Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt oder sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt worden ist. § 17 Abs. 1 MuSchG enthält ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB. Eine Kündigung unter Verstoß gegen dieses Verbot ist gem. § 134 BGB nichtig.

Umsetzung der europäischen Mutterschutzrichtlinie

Entgegen der Auffassung des Beklagten gelte das Kündigungsverbot aus § 17 Abs. 1 S.1 Nr.1 MuSchG auch für eine Kündigung vor der vereinbarten Tätigkeitsaufnahme. Mit dieser Vorschrift habe der deutsche Gesetzgeber schließlich die Mutterschutzrichtlinien 92/85 umgesetzt. Die Mitgliedstaaten seien verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Kündigungen von Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubes zu verbieten. Der mit dem Kündigungsverbot bezweckte Gesundheits- und Existenzschutz sei nur dann gewährleistet, wenn die Kündigung eines Arbeitsvertrages unabhängig davon unzulässig ist, ob die Tätigkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen werden soll. Dieses rechtlich schützenswerte Bedürfnis bestehe auch bei einer vor der vereinbarten Tätigkeitsaufnahme bekannt gegebenen Schwangerschaft.

BAG, Urteil vom 27.02.2020 – 2 AZR 498/19