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Kündigung eines Kochs wegen Kirchenaustritts unwirksam

Dienstag, 06.04.2021

Der Austritt eines Mitarbeiters aus der Kirche, der als Koch bei einer evangelischen Kita beschäftigt ist, führt nicht zur dauerhaft fehlenden Eignung des Klägers als Koch. Eine außerordentliche Kündigung wegen des Kirchenaustritts ist deshalb als unwirksam anzusehen. So entschied das LAG Baden-Württemberg.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers sowie hilfsweise über einen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Kündigung wegen Kirchenaustritts

Die Beklagte betreibt als evangelische Gesamtkirchengemeinde ca. 51 Kindertageseinrichtungen. Der Kläger ist seit Januar 1995 bei der Beklagten als Koch beschäftigt. Nachdem die Beklagte von dem Kirchenaustritt des Klägers im Juni 2019 erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis außerordentlich.

Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei unwirksam. Seine Tätigkeit habe keinen Bezug zum Verkündungsauftrag der Beklagten, da sich sein Kontakt mit den Kindern im Wesentlichen auf die Ausgabe von Getränken beschränke und er an Teamsitzungen mit pädagogischem Personal nur etwa alle zwei Wochen teilnehme. Die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche sei bezogen auf seine Tätigkeit keine gerechtfertigte berufliche Anforderung.

Schwerwiegender Verstoß gegen Loyalitätspflichten?

Die Beklagte meint, die bewusste Abkehr der Dienstgemeinschaft stelle einen groben Vertragsverstoß dar. Die „Küche“ sei wesentlicher Bestandteil der Kinderbetreuung, die sich die religiöse Bildung der Kinder zum Ziel gesetzt hat. Sinn und Zweck der „Küche“ sei es, den Kindern zu vermitteln, achtsam mit den Lebensmitteln umzugehen.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben und die hiergegen gerichtet Berufung der Beklagten blieb ebenfalls ohne Erfolg.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Kirchenaustritt eines Kochs ist kein Kündigungsgrund

Nach Ansicht des LAG fehlte es vorliegend an einem wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs.1 BGB. Die Beklagte könne die Kündigung nicht auf ein schuldhaftes Verhalten des Klägers stützen. Auch wenn der Kirchenaustritt nach dem Kirchenrecht zu den schwersten Vergehen gegen die Religion und die Einheit der Kirche gehört, kann der Loyalitätsverstoß angesichts der Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht als schuldhaft angesehen werden. Die Loyalitätserwartung der Beklagten, dass der Kläger nicht aus der evangelischen Kirche austreten dürfe, stelle keine wesentliche und berechtige Anforderung an die Eignung des Klägers dar. Solange der Kläger nicht aktiv innerhalb der Dienstgemeinschaft dem Ethos der Beklagten zuwider arbeitete und durch offene Bekundungen die Verbreitung des Ethos hintertreibe, sei das gemeinsame Werken im Sinne einer christlichen Nächstenliebe nicht beeinträchtigt.

Fazit: Die Loyalitätserwartung einer kirchlichen Kindertageseinrichtung, dass ein Mitarbeiter nicht aus der evangelischen Kirche austreten dürfe, stelle keine wesentliche und berechtige Anforderung an die Eignung des Mitarbeiters dar.

LAG Baden-Württemberg v. 10.2.2021 – 4 Sa 27/20