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Kein Entfallen des Lohnanspruchs nach einer durch die Arbeitgeberin angeordneten Quarantäne

Dienstag, 23.03.2021

Stellt eine Arbeitgeberin, einen Arbeitnehmer nach einem Urlaub in einem Corona-Risikogebiet unter Quarantäne, ist sie für diese Zeit zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Das entschied das Arbeitsgericht Dortmund.

Die Parteien streiten um die Vergütung von ausgefallener Arbeitszeit nach einer Quarantäne-Anordnung durch die Arbeitgeberin. Der Kläger reiste im März 2020 nach Tirol in Österreich. Währenddessen wurde Tirol vom Robert-Koch-Institut (RKI) als Risikogebiet aufgelistet, so dass die Beklagte den Kläger nach seiner Rückkehr anwies sich in eine zwei-wöchige Quarantäne zu begeben und den Betrieb nicht aufzusuchen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nach. Die Arbeitgeberin verrechnete die durch die Quarantäne ausgefallene Arbeitszeit mit entsprechenden Positivsalden des Arbeitszeitskontos. Eine behördliche Anordnung der Quarantäne gegenüber dem Kläger durch das zuständige Gesundheitsamt gab es nicht.

Arbeitgeberin trägt Vergütungsrisiko

Das Arbeitsgericht Dortmund gab der Klage auf Gutschrift der durch die Quarantäne ausgefallenen Arbeitsstunden statt. Der Kläger habe einen Anspruch aus dem Arbeitsvertrag i.V.m. den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre i.V.m. § 615 S.1 und 3. BGB auf Gutschrift der verrechneten Stunden seines Arbeitszeitenkontos.

Nach § 615 S.3 BGB könne der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung auch dann verlangen, wenn die Arbeit ausfällt und der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb beispielsweise aus Gründen, die in seinem betrieblichen oder wirtschaftlichen Verantwortungsbereich liegen, einschränkt oder stilllegt (vgl. BAG, Urteil v. 09.07.2008, 5 AZR 810/07). Beschließt ein Arbeitgeber aus eigenem Antrieb, seinen Betrieb zu schließen oder einen oder mehrere Arbeitnehmer zum Schutz der sonstigen Belegschaft in „Quarantäne“ zu schicken, trägt er nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre das Vergütungsrisiko. Dies gelte nach den dem Rechtsgedanken des § 615 S. 3 BGB entnommenen Grundsätzen selbst dann, wenn die Störung – wie im Fall des Coronavirus SARS-CoV-2 – nicht aus einer vom Arbeitgeber beeinflussbaren Gefahrensphäre stammt, so das Gericht.

Anderes bei behördlicher Quarantäneanordnung

Eine andere Risikoverteilung sei nach Ansicht des Gerichts nur dann denkbar, wenn die Arbeitgeberin mit der Anordnung der Quarantäne oder Betriebsschließung nichts zu tun hat und diese durch das zuständige Gesundheitsamt vorgenommen wird. Hieran fehlte es jedoch im vorliegen Fall.

Reist der Arbeitnehmer aber sehendes Auge entgegen der Einstufung des RKI in ein Risikogebiet, um dort Urlaub zu machen, käme ebenfalls eine andere Risikoerteilung in Betracht. Nach der Gefahrenspährentheorie wäre in solchen Fällen zumindest ein Überwiegen der Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers anzunehmen, das möglicherweise dazu führe, dass er das Vergütungsrisiko für den Arbeitsausfall zu tragen habe. Eine solche Konstellation lag im vorliegenden Fall jedoch ebenfalls nicht vor.

Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt beim LAG Hamm unter dem Az.: 10 Sa 53/21.

Fazit: Ohne behördliche Anordnung der Betriebsschließung bleibt der Arbeitgeber im Fall der Anordnung einer häuslichen Quarantäne zu Lohnfortzahlung verpflichtet.

ArbG Dortmund, Urt. v. 24.11.2020 – 5 Ca 2057/20