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Der arbeitnehmerähnliche Selbstständige – Das unbekannte Wesen

Dienstag, 07.09.2021

Im Arbeitsrecht ist die Unterscheidung, ob Beschäftigte als Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter/Selbstständige beschäftigt werden, von grundlegender Bedeutung. Während für Arbeitnehmer eine Vielzahl von gesetzlichen Schutzvorschriften, etwa bei Kündigungen, Arbeitszeiten und Krankheit, bestehen, sind freie Mitarbeiter hiervon in der Regel ausgenommen. Zudem sind die meisten Arbeitnehmer gleichzeitig auch über die gesetzliche Renten-, Kranken- und Arbeitslosigkeitsversicherung abgesichert, während freie Mitarbeiter oft selbst für ihre Absicherung Sorge tragen müssen.

 

Wie unterscheiden sich Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Selbstständige?

Relativ wenig bekannt ist aber, dass für sogenannte arbeitnehmerähnliche Selbstständige einige Besonderheiten gesetzlich vorgeschrieben sind. Um dies zu verstehen, ist zunächst wichtig zu klären, was der Unterschied zwischen Arbeitnehmern und arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen ist. In § 611 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) findet sich mittlerweile eine gesetzliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs, die sich an Kriterien orientiert, die das Bundesarbeitsgericht (BAG) zuvor über viele Jahre entwickelt hatte. Als Arbeitnehmer gilt danach, wer sich zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet hat. Trotz dieser Definition bleibt es in der Praxis oft schwierig, die Grenze zwischen Arbeitnehmereigenschaft und selbstständiger Tätigkeit zu bestimmen. Ein gutes Beispiel hierfür ist in jüngster Zeit die „Crowdworker“-Entscheidung des BAG (BAG, Urteil vom 01. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 –).

 

Arbeitnehmerähnliche Selbstständige arbeiten wirtschaftlich aber nicht persönlich abhängig

Wichtige Kriterien für die Frage, ob eine Arbeit in persönlicher Abhängigkeit erfolgt, sind z.B., ob und inwieweit der Mitarbeiter in die Organisation des Auftraggebers eingeordnet ist, welche zeitlichen und wirtschaftlichen Spielräume die Tätigkeit für anderweitige Beschäftigungen lässt und inwieweit der Auftraggeber die Arbeitsmittel für die Tätigkeit stellt. Ist danach eine persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten nicht gegeben, dieser aber gleichwohl wirtschaftlich von dem Auftraggeber abhängig, so kann dieser als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger einzuordnen sein. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit liegt vor, wenn der Selbstständige aufgrund der Höhe der Vergütung und der Art und Dauer der Tätigkeit vom Auftraggeber abhängig und nach seiner sozialen Stellung mit einem Arbeitnehmer vergleichbar ist. Ein arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger kann dabei auch für mehrere Auftraggeber tätig sein, jedoch ist dabei die Tätigkeit für einen Auftraggeber wesentlich und die entscheidende Existenzgrundlage.

 

Zuständigkeit der Arbeitsgerichte und Anspruch auf Urlaub

Sofern es sich bei dem Beschäftigten um einen arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen handelt, gelten dann einige Besonderheiten. So ist z.B. für Streitigkeiten mit seinem Auftraggeber nicht das Amts- oder Landgericht, sondern das Arbeitsgericht zuständig, § 5 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der arbeitnehmerähnliche Selbstständige hat gemäß § 2 Satz 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Und auch das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) gilt gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG ausdrücklich auch für arbeitnehmerähnliche Selbstständige. Anspruch auf Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz hat der arbeitnehmerähnliche Selbstständige aber, anders als Arbeitnehmer, nicht.

 

Risiko Sozialversicherungspflicht

Ein arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger kann auch sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein. Die Prüfung, ob eine Sozialversicherungspflicht besteht, richtet sich nach den Regelungen im Sozialgesetzbuch und folgt daher anderen Kriterien als die Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft. Aus der Feststellung, dass ein Mitarbeiter als arbeitnehmerähnlicher oder sonstiger Selbstständiger beschäftigt wird, folgt daher keineswegs zwangsläufig, dass für diesen damit auch keine Sozialversicherungspflicht besteht.