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BAG-Urteil zu Equal Pay

Donnerstag, 09.03.2023

In einem neuen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht entschieden: Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn ein männlicher Kollege ein höheres Entgelt für dieselbe Tätigkeit verhandelt hat.

Die Klägerin war in dem Urteil zugrundeliegenden Fall als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Neben ihr waren zwei männliche Mitarbeiter in derselben Funktion beschäftigt. Die Beklagte hatte allen zunächst ein Grundentgelt aus. Einer der Kollegen verhandelte dann für einen gewissen Zeitraum ein höheres Grundgehalt mit der Beklagten, das diese auch auszahlte.

Die Klägerin verlangte daraufhin von der Beklagten, die Differenz zum (höheren) Entgelt ihres Kollegen an sie auszuzahlen – und bekam damit, ganz überwiegend, Recht.

Bessere Verhandlung rechtfertig keine bessere Bezahlung

Nach Auffassung des BAG wurde die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, weil ihr ein niedrigeres Grundgehalt ausgezahlt wurde als ihrem männlichen Kollegen. Allein der Umstand, dass Beschäftigte mit verschiedenem Geschlecht und vergleichbarer Tätigkeit unterschiedlich bezahlt werden, begründet nach § 22 AGG die Vermutung, dass die schlechtere Bezahlung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Die Beklagte konnte diese Vermutung nicht widerlegen.

Interessant ist besonders: Die Arbeitgeberin durfte sich hier nicht darauf berufen, dass der männliche Kollege die höhere Vergütung individuell ausgehandelt hatte. Das Verhandlungsgeschick des männlichen Kollegen ist kein objektiv geeignetes Kriterium, das eine ungleiche Bezahlung rechtfertigen kann.

Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG

Zusätzlich zu der Gehaltsdifferenz wurde der Klägerin auch eine Entschädigungszahlung auf Grundlage von § 15 Abs. 2 AGG zugesprochen, da in der niedrigeren Bezahlung ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gesehen wurde.

Trotzdem: Differenzierungen in Bezug auf das Gehalt bleiben selbst zwischen Beschäftigten verschiedener Geschlechter weiterhin zulässig – sie müssen nur objektiv und geschlechtsneutral begründet sein. Hierzu zählen insbesondere Berufserfahrung und Qualifikationen.

In der Praxis bleibt es für Arbeitnehmerinnen schwierig, überhaupt herauszufinden, wie viel ihre männlichen Kollegen verdienen. Auskunftsansprüche nach dem Entgelttransparenzgesetz haben grundsätzlich nur Mitarbeiterinnen von Betrieben mit über 200 Arbeitnehmer:innen.

Dennoch wird das Urteil von Vielen als Meilenstein auf dem Weg zur Entgeltgleichheit gesehen.

Urteil des BAG vom 16.02.2023 – 8 AZR 450/21