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An- und Ablegezeiten auffälliger Dienstkleidung sind vergütungspflichtige Arbeitszeit

Mittwoch, 10.06.2020

Das An- und Ablegen einer vorgeschriebenen Dienstuniform ist fremdnützig und damit als Arbeitszeit anzusehen. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zwar freistellt, die Arbeitsbekleidung zu Hause anzulegen und auf dem Weg zur Arbeit zu tragen, er aber am Einsatzort selbst keine zumutbaren Umkleidemöglichkeiten bereitstellt.

Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg: Das Anlegen der Polizeiuniform ist Arbeitszeit

Verdachtskündigung wegen UnterschlagungDer Weg zur Arbeit ist selbst ist zwar keine vergütungspflichtige Arbeitszeit. Wenn der Arbeitnehmer aber zum Tragen einer Dienstuniform verpflichtet ist, hat er an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, einen Anspruch auf Vergütung für geschätzte 5 Minuten jeweils vor Dienstbeginn und nach Dienstende für das An- und Ablegen der Dienstkleidung. Der Anspruch folgt aus § 611 Abs. 1 BGB. Das An- und Ablegen von auffälliger Dienstbekleidung ist als Arbeitszeit zu werten, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmte Kleidung vorschreibt (BAG, Urt. v. 26.10.2016 – 5 AZR 168/16; BAG, urt. v. 06.09.2017 – 5 AZR 382/16).

Dies entschied das Landesarbeitsgericht Berlin in dem Fall eines Wachpolizisten, der beim Land Berlin im Zentralen Objektschutz tätig ist. Nach der Weisung des Landes übt er seine Tätigkeit in der ihm zur Verfügung gestellten Uniform und Schutzausrüstung aus und trägt dabei seine Dienstwaffe. Dabei ist ihm freigestellt, den Weg zum und vom Dienst in Dienstbekleidung oder in bürgerlicher Kleidung zurückzulegen. Freigestellt ist ihm ebenfalls, zu Hause auf eigene Kosten ein Waffenschließfach zu besorgen und dies zu nutzen. An den Einsatzorten finden sich teilweise keine Umkleidemöglichkeiten. Dem Polizisten wurde in einer nahe gelegenen Dienststelle ein Spind mit Waffenschließfach zur Verfügung gestellt.

Auch Umwege, um Arbeitsausrüstung abzuholen, können als Arbeitszeit gelten

Die zusätzlichen Wegzeiten, die der Kläger benötigte, um zu dem Waffenschließfach zu gelangen, sind vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ebenfalls als Arbeitszeit eingestuft worden. Es war dem Kläger zwar freigestellt, sich auch für zu Hause ein Waffenschließfach zu besorgen. Hierzu war er aber nicht verpflichtet. Sofern er sich daher nicht dafür entschieden hatte, ein Schließfach zu Hause anzulegen, war er gezwungen, das Schließfach in der Polizeidienststelle aufzusuchen, um weisungsgemäß seine Waffe im Dienst tragen zu können. Die Fremdnützigkeit entfällt nach Auffassung des Gerichts daher nicht nur deshalb, weil das Land Berlin dem Polizisten die Möglichkeit eingeräumt hatte, sich zu Hause ein Waffenschließfach einzurichten.

Bei den zusätzlichen Zeiten handelte es sich in dem vom LAG Berlin entschiedenen Fall daher um angeordnete Überstunden im Sinne von § 7 Abs. 7 TV-L.

Praxishinweis

Wenn feststeht, dass Überstunden auf Veranlassung des Arbeitgebers geleistet worden sind, der Arbeitnehmer die einzelnen Überstunden aber nicht ausreichen darlegen und beweisen kann, so hat das Gericht den Umfang der geleisteten Überstunden zu schätzen (§ 287 Abs 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO). Dies ist jedoch nur möglich, wenn der Arbeitnehmer konkrete, tatsächliche Anhaltspunkte geliefert hat, auf deren Grundlage eine Schätzung möglich ist, und er sich in einem nach den Umständen zumutbaren Maß um eine Substantiierung bemüht hat (vgl. BAG, Urteil vom 13.12.2016 – 9 AZR 574/15).

LAG Berlin-Brandenburg – Urteil vom 19.11.2019, 9 AZR Sa 620/10-