Trennlinie

EuGH sieht keinen Diskriminierungsschutz bei Scheinbewerbern

Mittwoch, 31.08.2016

Der als Rechtsanwalt tätige Kläger hatte sich auf eine Stellenanzeige einer Versicherung im Jahr 2009 als Trainee beworben. Als Stellenanforderung waren angegeben ein sehr guter Hochschulabschluss, der nicht länger als ein Jahr zurückliegen sollte und eine berufsorientierte Praxiserfahrung sowie im Falle der Bewerbung im Bereich Jura eine arbeitsrechtliche Ausrichtung oder medizinische Kenntnisse. Der Kläger  hatte seine Ausbildung zum Volljuristen bereits im Jahr 2001 abgeschlossen. Er wies in seiner Bewerbung auf die Trainee-Stelle darauf hin, dass er als Rechtsanwalt alle Kriterien erfülle, und als ehemals leitender Angestellter einer Versicherungsgesellschaft über Führungserfahrung verfüge und es gewohnt sei, Verantwortung zu übernehmen. Er besuche einen Fachanwaltskurs für Arbeitsrecht und betreue außerdem ein umfangreiches medizinrechtliches Mandat. Nach der Absage verlangte der Kläger zunächst eine Entschädigung in Höhe von EUR 14.000 wegen Altersdiskriminierung und später nach seiner Ablehnung des angebotenen Vorstellungsgesprächs zusätzlich eine Entschädigung wegen Geschlechterdiskriminierung in Höhe von EUR 3.500,00.

Die Klagen hatten keinen Erfolg. Das BAG sah den Kläger nicht als „Bewerber“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG an, weil er aufgrund der von ihm betonten Führungserfahrung nicht als Trainee in Frage kam und zudem die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausgeschlagen hatte. Da das Unionsrecht  jedoch nicht den „Bewerber“, sondern den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit“ schützt, rief das BAG den EuGH zur Klärung an, ob auch der nur formale Bewerber vom Schutz der Richtlinie erfasst sei, und ob möglicherweise ein solches Verhalten als Rechtsmissbrauch bewertet werden könne.

Der EuGH bestätigte die Rechtsauffassung des BAG und stellte fest, dass das Verhalten dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, wenn eine Person nicht eine betreffende Stelle, sondern nur den formalen Status als Bewerber mit dem alleinigen Ziel erlangen will, eine Entschädigung geltend zu machen. Denn sie sucht in diesen Fällen nicht den „Zugang zu Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit“ im Sinne der Richtlinie. In betrügerischer oder missbräuchlicher Weise dürfe sich niemand auf die Rechtsvorschriften der EU berufen.

EuGH, Urteil vom 28.07.2016 – C-423/15