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Alkohol am Arbeitsplatz

Montag, 13.02.2012

In Bayern ist die Maß zu Mittag ein Grundrecht. In Skandinavien wird erwartet, dass der Chef an Betriebsfeiern betrunkener als seine Angestellten ist. Und auf den Geburtstag wird mit einem Gläschen Sekt angestoßen? Diese Beispiele zeigen, dass Alkohol wie auch im „echten Leben“ am Arbeitsplatz ein umstrittenes Thema ist.

Wir haben im Folgenden überblicksartig dargestellt, welche Rechte und Pflichten Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Hinblick auf Alkoholkonsum im Arbeitsverhältnis haben.

1. Kein grundsätzliches Alkoholverbot

Im Bereich des Arbeitsrechts existiert kein absolutes Alkoholverbot. Arbeitnehmer können Alkohol grundsätzlich konsumieren, solange sie ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht verletzen.

Bei bestimmten Arbeitnehmergruppen wie z.B. Piloten oder Kraftfahrern, gilt jedoch per se ein Alkoholverbot, da anderenfalls von diesen Personen eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht.

2. Betrieblich angeordnetes Alkoholverbot

Der Arbeitgeber kann im Wege seines Weisungsrechts ein allgemeines Alkoholverbot anordnen. Einen Grund braucht er hierfür nicht.

In Betrieben mit Betriebsrat bedürfen betriebliche Alkoholverbote grundsätzlich der Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (BAG, Urteil v. 23. September 1986, 1 AZR 83/85).

3. Pflichtverletzung des Arbeitnehmers wegen Alkoholisierung

Ist kein betriebliches Alkoholverbot geregelt, so liegt in einem maßvollem Alkoholgenuss keine Pflichtverletzung. Jedoch darf auch ohne ausdrückliches Alkoholverbot der Konsum alkoholischer Getränke nicht dazu führen, dass Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen können (BAG, Urteil v. 26. Januar 1995, 2 AZR 649/94). Entscheidend hierfür sind die jeweilige Tätigkeit des Arbeitnehmers, die Trinkmenge sowie dessen körperliche Verfassung. Anders als im Bereich des Strafrechts existieren im Arbeitsrecht keine festen Promillegrenzen. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Arbeitnehmer in der Lage ist, seine Vertragspflichten zu erfüllen. In diesem Zusammenhang können sich aus dessen äußerem Erscheinungsbild (Alkoholfahne, Zittern, gerötete Augen, schwankender Gang, lallende Stimme, Konzentrationsverlust usw.) wichtige Indizien ergeben.

4. Abmahnung / Kündigung

Bestehen allgemeine betriebliche oder einzelvertragliche Alkoholverbote, ist der (wiederholte) Verstoß hiergegen grundsätzlich geeignet, eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen. Dabei ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer bereits alkoholisiert zur Arbeit erscheint oder erst im Betrieb alkoholische Getränke zu sich nimmt. Existiert dagegen kein betriebliches Alkoholverbot, kann die Kündigung nur ausgesprochen werden, wenn der Alkoholkonsum zu Schlecht- oder Fehlleistungen des Arbeitnehmers führt. Dabei muss der Arbeitgeber im Streitfall nachweisen, dass der Arbeitnehmer alkoholbedingt nicht mehr in der Lage war, seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu genügen. Für diesen Nachweis genügt wiederum das Vorliegen oben genannter Indizien (Alkoholfahne, schwankender Gang etc.), die im Übrigen durch Zeugenaussagen belegt werden können.

Liegt eine Pflichtverletzung im Verhaltens- und Leistungsbereich vor, ist eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung grundsätzlich erforderlich, da der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer hinreichend Gelegenheit und Zeit geben muss, sein Verhalten zu ändern. Zum Verhaltens- und Leistungsbereich gehören als Hauptpflichten die Arbeits- und Vergütungspflicht, der sog. Betriebsbereich sowie die Nebenpflichten, soweit sie den Leistungsbereich berühren. Bei den Störungen im Betriebsbereich handelt es sich z.B. um Störungen der Betriebsordnung, zu der auch der Verstoß gegen ein bestehendes Alkoholverbot zählt. Dies bedeutet, dass vor Ausspruch der Kündigung wegen eines Verstoßes gegen ein Alkoholverbot in der Regel eine Abmahnung erforderlich ist (BAG, Urteil v. 22. Juli 1982, 2 AZR 30/81).

5. Außerordentliche Kündigung nur in Sonderfällen

Die auf Alkoholgenuss beruhende dauerhafte Unfähigkeit des Arbeitnehmers, seinen arbeitsvertraglich geschuldeten Pflichten nachzukommen, kann auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (BAG, Urteil v. 14. November 1984, 7 AZR 174/83), solange es sich nicht um eine psychische und physische Abhängigkeit im medizinischen Sinne handelt.

Zu beachten ist, dass eine außerordentliche Kündigung aufgrund Alkoholgenusses nur ausnahmsweise gerechtfertigt erscheint, so etwa bei einem Busfahrer, der mit 0,46 Promille Personen im öffentlichen Nahverkehr transportiert (LAG Nürnberg, Urteil v. 17. Dezember 2002, 6 Sa 480/01).

6. Krankheit Alkoholsucht?

Liegt auf Seiten des Arbeitnehmers eine Alkoholsuchtkrankheit vor, richtet sich die Wirksamkeit der Kündigung nach den Grundsätzen der personenbedingten krankheitsbedingten Kündigung (BAG, Urteil v. 16. September 1999, 2 AZR 123/99). Statt Abmahnungen kann dann ggf. vor Kündigung die Anordnung einer Entziehungskur erforderlich sein.

7. Privater Alkoholkonsum

Ein außerdienstlicher Alkoholgenuss rechtfertigt nur dann eine Kündigung, wenn hierdurch das Arbeitsverhältnis nachhaltig beeinträchtigt wird. Dies ist etwa anzunehmen, wenn bei einer privaten Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen wird und der Arbeitnehmer diese zur Ausübung seiner Tätigkeit benötigt (z.B. Berufskraftfahrer, Servicetechniker usw.) In diesem Fall liegt ein personenbedingter Kündigungsgrund vor (BAG, Urteil v. 30. Mai 1978, 2 AZR 630/76). Darüber hinaus berechtigt den Arbeitgeber der außerhalb der Arbeitszeit stattfindende übermäßige Alkoholkonsum des Arbeitnehmers nicht zur Kündigung, da er nicht in die Privatsphäre des Arbeitnehmers eingreifen darf.

8. Interessenabwägung im Einzelfall

Unternimmt ein Arbeitgeber trotz eines betrieblichen Alkoholverbotes nichts dagegen, dass in der Mittagspause in der Kantine seines Betriebes alkoholische Getränke verkauft werden, so ist dies im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. (LAG Köln, Urteil .v. 29.06.1987 – 9 Sa 222/87).

Auch sind im Rahmen einer Interessenabwägung die Bräuche des jeweiligen Berufszweigs zu berücksichtigen (BAG, Urteil v. 22. Juli 1982, 2 AZR 30/81). Unter Umständen kann der Genuss einer Flasche Bier im Bau- oder Bäckereigewerbe üblich sein, wobei allerdings auch hier die konkreten Umstände maßgebend sind, so dass trotz Üblichkeit des Alkoholgenusses während der Arbeit ein im Einzelfall bestehendes Alkoholverbot Vorrang hat.

Gelegentliche Feiern am Arbeitsplatz mit alkoholischen Getränken aus Anlass von Geburtstagen, Karneval usw. können – soweit dort der Alkoholkonsum nicht ausdrücklich untersagt ist – regelmäßig nicht beanstandet werden, es sei denn, es kommt zu Alkoholexzessen.

Gehen bei Arbeitnehmern im Fall ihrer Trunkenheit wegen der Art der von ihnen verrichteten Tätigkeit besondere Gefahren für andere aus – z.B. Berufskraftfahrer, Bagger-, Kranführer u.ä. -, wird ein strengerer Maßstab mit der Folge angelegt, dass unter Umständen schon ein einmaliger Verstoß gegen das Alkoholverbot für eine Kündigung ausreicht (LAG Hamm, Urteil v. 22. Dezember 1977, 8 Sa 1258/77).

9. Alkoholtest

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber nicht einseitig Alkoholtests einführen; er benötigt hierfür die Einwilligung des Arbeitnehmers. Auch sind Arbeitnehmer nicht verpflichtet, zur Feststellung ihrer Alkoholisierung an einer Atemalkoholkontrolle mitzuwirken. Ebenso wenig können sie zu einer Untersuchung ihres Blutalkoholwerts gezwungen werden (BAG, Urteil v. 26. Januar 1995, 2 AZR 649/94). Der Arbeitgeber ist daher bei vorhandenen Anzeichen einer Alkoholeinwirkung zum Beweis seiner Vermutung auf Indizien (Alkoholfahne, schwankender Gang etc.) angewiesen. Allerdings stellt die Weigerung des Arbeitnehmers, den Verdacht einer Verletzung des betrieblichen Alkoholverbotes durch Einleitung einer Blutalkoholuntersuchung zu widerlegen, im Rahmen der Beweiswürdigung ein beachtliches Indiz für das Vorliegen einer Pflichtverletzung dar (LAG Hamm, Urteil v. 11. November 1996, 10 Sa 1789/95).

Besteht auf Seiten des Arbeitnehmers der Wunsch, sich mit Hilfe eines Alkoholtests zu entlasten, so muss er diesen deutlich äußern. In diesem Fall ist der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht – soweit entsprechende Gerätschaften vorhanden sind – verpflichtet, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zu geben, durch entsprechende Tests den Vorwurf auszuräumen (BAG, Urteil v. 26. Januar 1995, 2 AZR 649/94).

10. Bereitschaftsdienst

Während der Ableistung eines Bereitschaftsdienstes hat sich der Arbeitnehmer auf die jederzeit mögliche Arbeitsaufnahme einzustellen und ein bestehendes Alkoholverbot einzuhalten.

(weiterführend u.a.: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 13. Auflage, 2009; Küttner, Personalbuch 2010, 17. Auflage 2010)